Was ist die Liebe denn? von Louise Otto-Peters

„Was ist die Liebe denn?“ – „Was ist das Leben?“
Mag es zurück als Gegenfrage hallen –
So lang kein Liebesstrahl darauf gefallen,
Ist’s eines Chaos nebelhaftes Weben.
 
Siehst Du die Sonne leuchtend sich erheben
Und alle Nebel schwindend niederwallen?
Hörst Du der Lerche Morgensang erschallen
Und siehst sie jubelvoll gen Himmel schweben?
 
Willst Du ihr folgen in das Licht der Sonnen?
10 
Willst Dich mit ihr im blauen Aether wiegen,
11 
Bis Deinem Blick die Erde ganz zerronnen?
 
12 
Wohl ist die Lieb’ solch jubelnd Aufwärtsfliegen,
13 
Doch – daß der Himmel für das Herz gewonnen:
14 
Das ist der Gottheit Zeichen, drinn wir siegen!
 
15 
II. Antwort.
 
16 
Weil nun die Lieb’ mir alle, alle Poren
17 
Des Herzens füllt, weil sie mich ganz durchdrungen
18 
Fragst Du: ob ich noch gern wie sonst gesungen,
19 
Da ich alleinzig mich der Kunst verschworen?
 
20 
Die Liebe, die mich also ganz erkoren,
21 
Wähnst Du, hab’ wie ein starker Geist bezwungen
22 
Den guten Genius mit Feuerzungen,
23 
Der früher einzog zu der Seele Thoren?
 
24 
Ein Engel ist sie, der vom Himmel kommen,
25 
Die sel’ge Offenbarung mir zu bringen:
26 
Lieb’ und Gesang sind ewig eins geblieben.
 
27 
Und einer Täuschung hat er mich entnommen:
28 
Sonst wußte ich von Liebe nur zu singen,
29 
Jetzt sing’ ich, weil ich innig weiß zu lieben.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.4 KB)

Details zum Gedicht „Was ist die Liebe denn?“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
29
Anzahl Wörter
206
Entstehungsjahr
1860-1870
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht stammt von der deutschen Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Louise Otto-Peters, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts lebte.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht nachdenklich und reflektiert, setzt es sich doch mit großen universellen Themen wie Liebe und Leben auseinander. Es entfaltet dabei zahlreiche poetische Bilder und Metaphern und kreiert dadurch eine reiche, komplexe Bedeutungsebene.

Das lyrische Ich des Gedichts stellt zunächst die grundlegende Frage, was Liebe ist, und vergleicht sie mit dem Leben, was eine ähnlich unklare und tiefgründige Definition verlangt. Es wird suggeriert, dass Liebe ebenso unbestimmt, aber auch genauso notwendig und grundlegend für das Dasein ist wie das Leben selbst. Diese Idee setzt sich in der Beschreibung der Liebe als 'Liebesstrahl' und 'Sonnenaufgang' fort - Bilder, die Aufmerksamkeit, Wärme, Licht und eine Erhöhung des Lebens andeuten.

Otto-Peters verwendet eine recht traditionelle Gedichtstruktur mit rhythmischen Versen und gereimten Endungen, die dazu beiträgt, den gedanklichen Fluss des Gedichts zu strukturieren und zu konsolidieren. Die Sprache ist altertümlich, aber klar und ausdrucksstark, voller stark visualisierter Bilder und kraftvoller Metaphern.

Die zentrale Aussage des lyrischen Ichs scheint zu sein, dass Liebe die Essenz des Lebens und das wahre Streben des menschlichen Herzens ist, zudem der Schlüssel zur wahren Kunst. Diese Identifikation von Liebe und Leben drückt eine tiefgehende Überzeugung von ihrer universalen und tiefgründigen Bedeutung aus, ein Aspekt, der für Otto-Peters Zeit von großer Bedeutung war.

Zum Ende hin antwortet das lyrische Ich auf mögliche Zweifel und bestätigt, dass die Liebe, die es erfüllt, besonders dadurch, dass sie zur Quelle des eigenen kreativen Ausdrucks geworden ist, unentbehrlich ist. In dem Schlusssatz „Sonst wußte ich von Liebe nur zu singen, Jetzt sing’ ich, weil ich innig weiß zu lieben.“ liegt die Offenbarung, dass das lyrische Ich nun die wahre Natur der Liebe versteht und sie nicht mehr nur als ein Konzept, sondern als eine gelebte Erfahrung betrachtet.

Insgesamt ist „Was ist die Liebe denn?“ ein sehr reflexives und bedeutungsvolles Gedicht, das sich durch seine poetische Kraft und seine tiefe Einsicht in die menschliche Natur auszeichnet. Es regt den Leser dazu an, über die fundamentale Rolle der Liebe im Leben und in der Kunst nachzudenken.

Weitere Informationen

Die Autorin des Gedichtes „Was ist die Liebe denn?“ ist Louise Otto-Peters. Im Jahr 1819 wurde Otto-Peters in Meißen geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1870 entstanden. In Leipzig ist der Text erschienen. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Realismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin vorgenommen werden. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das Gedicht besteht aus 29 Versen mit insgesamt 9 Strophen und umfasst dabei 206 Worte. Weitere Werke der Dichterin Louise Otto-Peters sind „Allein“, „Am Schluß des Jahres 1849“ und „Am längsten Tage“. Zur Autorin des Gedichtes „Was ist die Liebe denn?“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 106 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Weitere Gedichte des Autors Louise Otto-Peters (Infos zum Autor)

Zum Autor Louise Otto-Peters sind auf abi-pur.de 106 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.