Aus der Gefängniszeit 1850-1856 von Louise Otto-Peters

Waldheim, 4. März 1854

Fünf Jahre sind im Kerker schon vergangen –
Zum fünften mal kehrt Dein Geburtstag wieder –
Ich kam zu Dir mit Sehnen und mit Bangen –
Und tief beschämt senk’ ich mein Auge nieder
 
Vor Deiner Herrlichkeit in Schmach und Leiden,
Vor Deiner Kraft im Dulden und Entbehren!
Du sprichst von Liebe nur, von Seligkeiten,
Wo andre sich in Schmerz und Zorn verzehren!
 
Ein Gitter fiel – doch eines ist geblieben,
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Uns trennend, die wir ewig doch verbunden –
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Die wir ganz eins im Streben und im Lieben,
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Wie That und Wort seit Jahren es bekunden!
 
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O laß mich Dir die Hand durchs Gitter reichen!
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Du neigst Dich nieder – küßt sie süß und heiß,
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Dazu des Blickes holdes Liebeszeichen –
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Kein andres brauchts, da ich so froh Dich weiß!
 
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Sieh, Deiner Küsse und des Gitters Spuren
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Sind meiner Hand so sichtbar eingeprägt
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Wie Nägelmale, wie auf Frühlingsfluren
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Ein Quell hervorbricht und drin Wunden schlägt.
 
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Von Nägelmalen wissen wir zu sagen,
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Von Quellen, die als helle Thränen flossen,
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Doch auch von Blüten, die wir in uns tragen,
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Die aus den liebeselgen Herzen sprossen!
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Aus der Gefängniszeit 1850-1856“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
176
Entstehungsjahr
1850-1860
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Aus der Gefängniszeit 1850-1856“ stammt von der deutschen Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Louise Otto-Peters, die im 19. Jahrhundert, präzise gesagt ab der Mitte des Jahrhunderts, lebte und wirkte. Otto-Peters war eine führende Persönlichkeit der frühen Frauenbewegung in Deutschland. Es kann als Teil des literarischen Umbruchs dieser Epoche verstanden werden, in dem sich Grundfragen der Individualität, Freiheit und der Rolle der Frau in der Gesellschaft stellten.

Beim ersten Lesen des Gedichts wird deutlich, dass es sich um einen persönlichen Blick auf die Zeit im Gefängnis handelt, vielleicht eine Reflexion oder ein Brief an eine geliebte Person.

Inhaltlich beschreibt das Gedicht die Gefühle und Erfahrungen einer Gefangenen. Die Hauptfigur hat fünf Jahre im Gefängnis verbracht und ist tief bewegt von der Stärke und dem Mut ihres Gegenübers. Trotz der schmerzhaften Trennung durch das Gitter der Zelle findet sie Trost in der tiefen Liebe und Verbundenheit zwischen ihnen. Sie erwähnt den Kuss und die Liebe als symbolische Rettung, trotz der sichtbaren physischen Spuren ihrer Gefangenschaft.

Das lyrische Ich bringt seine tiefe Bewunderung für die Stärke und Entbehrungen des anderen zum Ausdruck. Die tiefe Sehnsucht nach Freiheit und zwischenmenschlicher Nähe ist deutlich spürbar.

Formal ist das Gedicht als sechsstrophige Vierzeiler strukturiert. Dabei folgt jede Strophe einem klaren Muster, in dem sie die Situation schildert, eine Reflexion anregt und schließlich einen emotionalen Zustand ausdrückt. Die Sprache ist dabei geprägt von einer melodischen, fast musikalischen Qualität, die durch die regelmäßige Anzahl an Versen in jeder Strophe unterstrichen wird. Dabei finden sich viele metaphorische Ausdrücke, die die Gefühle des lyrischen Ichs verdeutlichen - beispielsweise Gitter, Nägelmale und Quellen.

Zusammenfassend handelt es sich bei dem Gedicht „Aus der Gefängniszeit 1850-1856“ von Louise Otto-Peters um einen aufrichtigen und berührenden Einblick in die Gefühle und inneren Kämpfe einer gefangenen Person. Es ist geprägt von Sehnsucht, Liebe und Hoffnung, die sich in einer Zeit der Not und Entbehrung stark zeigen.

Weitere Informationen

Louise Otto-Peters ist die Autorin des Gedichtes „Aus der Gefängniszeit 1850-1856“. 1819 wurde Otto-Peters in Meißen geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1860 zurück. Erschienen ist der Text in Leipzig. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das vorliegende Gedicht umfasst 176 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 24 Versen. Die Dichterin Louise Otto-Peters ist auch die Autorin für Gedichte wie „An Byron“, „An Georg Herwegh“ und „An Ludwig Börne“. Zur Autorin des Gedichtes „Aus der Gefängniszeit 1850-1856“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 106 Gedichte vor.

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