Vorstadt im Föhn von Georg Trakl

Am Abend liegt die Stätte öd und braun,
Die Luft von gräulichem Gestank durchzogen.
Das Donnern eines Zugs vom Brückenbogen –
Und Spatzen flattern über Busch und Zaun.
 
Geduckte Hütten, Pfade wirr verstreut,
In Gärten Durcheinander und Bewegung,
Bisweilen schwillt Geheul aus dumpfer Regung,
In einer Kinderschar fliegt rot ein Kleid.
 
Am Kehricht pfeift verliebt ein Rattenchor.
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In Körben tragen Frauen Eingeweide,
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Ein ekelhafter Zug voll Schmutz und Räude,
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Kommen sie aus der Dämmerung hervor.
 
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Und ein Kanal speit plötzlich feistes Blut
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Vom Schlachthaus in den stillen Fluß hinunter.
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Die Föhne färben karge Stauden bunter
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Und langsam kriecht die Röte durch die Flut.
 
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Ein Flüstern, das in trübem Schlaf ertrinkt.
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Gebilde gaukeln auf aus Wassergräben,
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Vielleicht Erinnerung an ein früheres Leben,
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Die mit den warmen Winden steigt und sinkt.
 
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Aus Wolken tauchen schimmernde Alleen,
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Erfüllt von schönen Wägen, kühnen Reitern.
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Dann sieht man auch ein Schiff auf Klippen scheitern
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Und manchmal rosenfarbene Moscheen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.8 KB)

Details zum Gedicht „Vorstadt im Föhn“

Autor
Georg Trakl
Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
152
Entstehungsjahr
1913
Epoche
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Vorstadt im Föhn“ wurde von dem österreichischen Expressionisten Georg Trakl verfasst. Trakl zählt zu den bedeutendsten Lyrikern des frühen 20. Jahrhunderts, sodass das Gedicht zeitlich in diese Epoche eingeordnet werden kann.

Der erste Eindruck beim Lesen des Gedichts ist, dass es eine düstere, unangenehme Atmosphäre beschreibt, die von schmutzigen und unerfreulichen Bildern geprägt ist. Inhaltlich geht es um die Beschreibung einer Vorstadt, die von Tristesse und Dekadenz geprägt ist. Trakl schildert eine trostlose Umgebung, die von schäbigen Hütten, lauten Geräuschen wie Zugdonnern, unangenehmen Gerüchen und unappetitlichen Szenen beherrscht wird. Auch die Tierwelt spiegelt diese Atmosphäre wider, wie zum Beispiel ein „Rattenchor“ und zerfetzte Eingeweide tragende Frauen. Im Laufe des Gedichts nimmt die Farbe Rot eine bedeutende Rolle ein, wie das rote Kleid in der Kinderschar oder das „feiste Blut“, das vom Schlachthaus in den Fluss fließt.

Formal besteht das Gedicht aus sechs Strophen mit jeweils vier Versen, die kein durchgängiges Reimschema aufweisen. Der Rhythmus ist ebenfalls unregelmäßig und unterstützt so den bedrückenden Inhalt. Trakls Sprache ist bildhaft und geprägt von expressionistischen Elementen. Durch die Verbindung von alltäglichen und grotesken Bildern erzeugt er eine beklemmende Wirkung.

Die doppelte Bedeutung des Wortes „Föhn“ wird im Gedicht hervorgehoben. Einerseits handelt es sich um einen warmen, trockenen Wind, der hier die Farben der Umgebung intensiviert und somit die düstere Stimmung verstärkt. Andererseits kann es auch als eine Art düsterer Hauch verstanden werden, der durch diese Vorstadt weht.

In den letzten beiden Strophen scheint Trakl jedoch einen Hauch von Hoffnung oder Sehnsucht nach Schönheit einzubringen. Aus dem Trüben werden plötzlich schimmernde Alleen, schöne Wagen und tapfere Reiter sowie rosenfarbene Moscheen sichtbar. Diese Bilder könnten eine Erinnerung an ein früheres, besseres Leben oder Sehnsüchte und Träume symbolisieren. Diese Sehnsucht bleibt aber letztendlich unerfüllt, denn sie „ertrinkt“ im düsteren Schlaf der Vorstadt.

Zusammenfassend zeichnet Trakl in „Vorstadt im Föhn“ das Bild einer trostlosen, schmutzigen und dekadenten Umgebung, die von schrecklichen Eindrücken geprägt ist. Die gelegentlichen lichteren Bilder unterstreichen die Sehnsucht nach Schönheit und Harmonie inmitten dieser düsteren Welt. Insgesamt verdeutlicht das Gedicht die expressionistische Sichtweise auf die Welt und die damals herrschenden gesellschaftlichen Umstände.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Vorstadt im Föhn“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Georg Trakl. Im Jahr 1887 wurde Trakl in Salzburg geboren. Im Jahr 1913 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Expressionismus zuordnen. Der Schriftsteller Trakl ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 152 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 24 Versen. Der Dichter Georg Trakl ist auch der Autor für Gedichte wie „Allerseelen“, „An den Knaben Elis“ und „De profundis“. Zum Autor des Gedichtes „Vorstadt im Föhn“ haben wir auf abi-pur.de weitere 60 Gedichte veröffentlicht.

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