Vorgefühl von Rainer Maria Rilke

1	Ich bin wie eine Fahne von Fernen umgeben.
2	Ich ahne die Winde, die kommen, und muß sie leben,
3	während die Dinge unten sich noch nicht rühren:
4	Die Thüren schließen noch sanft und in den Kaminen ist Stille;
5	die Fenster zittern noch nicht, und der Staub ist noch schwer.
6	Da weiß ich die Stürme schon und bin erregt wie das Meer.
7	Und breite mich aus und falle in mich hinein
8	und werfe mich ab und bin ganz allein
9	in dem großen Sturm.

Details zum Gedicht „Vorgefühl“

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts „Vorgefühl“ ist Rainer Maria Rilke, ein bedeutender deutscher Dichter der literarischen Moderne. Seine Lebensdaten (1875 – 1926) ermöglichen eine zeitliche Einordnung in die Übergangsphase vom 19. bis ins 20. Jahrhundert, eine Zeit großer gesellschaftlicher und technologischer Umbrüche.

Erster Eindruck des Gedichts ist von einer gewissen Schwere und Melancholie geprägt. Es handelt von einem subjektiven Empfinden, einem „Vorgefühl“, welches das lyrische Ich in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt.

Inhaltlich beschreibt das lyrische Ich, dass es von Erwartungen, und künftigen Begebenheiten, hier dargestellt durch die Metapher der Fahne und der Winde, umgeben ist. Noch ist Ruhe, die Zeichen der Veränderung, die sich etwa in geschlossenen Türen und stillen Kaminen manifestieren, sind noch nicht für alle sichtbar. Doch das lyrische Ich nimmt bereits den aufkommenden Sturm wahr, und ist davon emotional erfasst, was in der Formulierung „und bin erregt wie das Meer“ zum Ausdruck kommt. In den Versen 7 und 8 kommt eine tiefgreifende innere Bewegung zum Ausdruck: Das Ich dehnt sich aus, fällt in sich selbst hinein, wirft sich ab – es befindet sich in einem ständigen Prozess der Selbstveränderung, getrieben vom aufkommenden Sturm. Das Gedicht endet mit einer starken Aussage des lyrischen Ichs – es ist ganz allein in diesem großen Sturm, einer Metapher für die Herausforderungen, die es zu bewältigen hat.

Der Aufbau des Gedichts folgt keinem klassischen Reimschema, Rilke verwendet einen freien Vers. Die Sprache des Gedichts ist erhaben und bildhaft, voller Metaphern und Vergleiche, die die Gefühle und Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck bringen. Es fällt auf, dass Rilke die Präpositionen „in“ und „von“ mehrfach verwendet, was auf eine intensive Beschäftigung mit dem Innen und Außen, dem Subjekt und dem Objekt hindeutet. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gedicht „Vorgefühl“ ein intensiver Ausdruck subjektiver Empfindungen ist, der in einer metaphorisch-dichterischen Sprache einen emotionalen Zustand des lyrischen Ichs schildert.

Weitere Informationen

Rainer Maria Rilke ist der Autor des Gedichtes „Vorgefühl“. Im Jahr 1875 wurde Rilke in Prag geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1906 zurück. In Berlin / Leipzig, Stuttgart ist der Text erschienen. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Moderne zuordnen. Bei dem Schriftsteller Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 81 Wörter. Es baut sich aus 2 Strophen auf und besteht aus 9 Versen. Weitere Werke des Dichters Rainer Maria Rilke sind „Abend“, „Abend“ und „Abend in Skaane“. Zum Autor des Gedichtes „Vorgefühl“ haben wir auf abi-pur.de weitere 338 Gedichte veröffentlicht.

Das Video mit dem Titel „Vorgefühl [R. M. Rilke]“ wurde auf YouTube veröffentlicht. Unter Umständen sind 2 Klicks auf den Play-Button erforderlich um das Video zu starten.

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