Vor der Fahrt von Ferdinand Freiligrath

Jenseits der grauen Wasserwüste
Wie liegt die Zukunft winkend da!
Eine grüne lachende Küste,
Ein geahndet Amerika!
Ein geahndet Amerika!
Und ob auch hoch die Wasser springen,
Ob auch Sandbank uns droht und Riff:
Ein erprobt und verwegen Schiff
Wird die Muth’gen hinüberbringen!
 
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Frisch auf denn, springt hinein! Frisch auf, das Deck bemannt!
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Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch den Sturm! Sucht Land und findet Land!
 
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O tapfer Fahrzeug! Ohne Schwanken
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Befährt es dreist die zorn’ge Fluth!
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Schwarz die Masten und schwarz die Planken,
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Und die Wimpel sind roth wie Blut!
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Und die Wimpel sind roth wie Blut!
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Die Segel braun von Dampf und Feuer;
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Vom Verdeck herab ihren Blitz
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Sprüh’n Gewehre, sprüht das Geschütz,
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Und das blanke Schwert ist sein Steuer!
 
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Frisch auf denn, springt hinein! Frisch auf, das Deck bemannt!
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Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch den Sturm! Sucht Land und findet Land!
 
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So fährt es aus zu seinen Reisen,
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So trägt es Männer in den Streit: –
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Mit den Helden haben die Weisen
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Seine dunkeln Borde geweiht!
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Seine dunkeln Borde geweiht!
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Ha, wie Kosciuszko dreist es führte!
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Ha, wie Washington es gelenkt!
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Lafayette’s und Franklin’s denkt,
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Und wer sonst seine Flammen schürte!
 
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Frisch auf denn, springt hinein! Frisch auf, das Deck bemannt!
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Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch den Sturm! Sucht Land und findet Land!
 
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Ihr fragt erstaunt: Wie mag es heißen?
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Die Antwort ist mit festem Ton:
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Wie in Oesterreich so in Preußen
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Heißt das Schiff: „Revolution!“
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Heißt das Schiff: „Revolution!“
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Es ist die einz’ge richt’ge Fähre –
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Drum in See, du kecker Pirat!
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Drum in See, und kapre den Staat,
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Die verfaulte schnöde Galeere!
 
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Frisch auf denn, springt hinein! Frisch auf, das Deck bemannt!
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Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch den Sturm! Sucht Land und findet Land!
 
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Doch erst, bei schmetternden Drommeten,
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Noch eine zweite wilde Schlacht!
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Schwarzer Brander, schleudre Raketen
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In der Kirche scheinheil’ge Jacht!
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In der Kirche scheinheil’ge Jacht!
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Auf des Besitzes Silberflotten
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Richte kühn der Kanonen Schlund!
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Auf des Meeres rottigem Grund
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Laßt der Habsucht Schätze verrotten!
 
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Frisch auf denn, springt hinein! Frisch auf, das Deck bemannt!
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Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch den Sturm! Sucht Land und findet Land!
 
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O stolzer Tag, wenn solche Siege
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Das Schiff des Volkes sich erstritt!
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Wenn, zu Boden segelnd die Lüge,
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Zum ersehnten Gestad es glitt!
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Zum ersehnten Gestad es glitt!
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Zum grünen Strand der neuen Erde,
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Wo die Freiheit herrscht und das Recht,
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Wo kein Armer stöhnt und kein Knecht,
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Wo sich selber Hirt ist die Heerde!
 
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Frisch auf denn, springt hinein! Frisch auf, das Deck bemannt!
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Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch den Sturm! Sucht Land und findet Land!
 
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Wo nur der Eintracht Fahnen wehen,
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Wo uns kein Hader mehr zerstückt!
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Wo der Mensch von der Menschheit Höhen
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Unenterbt durch die Schöpfung blickt!
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Unenterbt durch die Schöpfung blickt!
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O neue Welt, nach Sturm und Fehde
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Wie erquickt uns bald deine Ruh’!
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Alle Herzen pochen dir zu – –
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Und der Brander liegt auf der Rhede!
 
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Frisch auf denn, springt hinein! Frisch auf, das Deck bemannt!
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Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch den Sturm! Sucht Land und findet Land!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (30 KB)

Details zum Gedicht „Vor der Fahrt“

Anzahl Strophen
14
Anzahl Verse
77
Anzahl Wörter
520
Entstehungsjahr
nach 1826
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Vor der Fahrt“ wurde von Ferdinand Freiligrath geschrieben, einem deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts, der von 1810 bis 1876 lebte. Da er als Liberaler und Revolutionär bekannt war, kann das Gedicht zeitlich in der Epoche des Vormärz eingeordnet werden, die durch die Forderung nach politischer Liberalisierung und nationaler Einheit geprägt war.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht wie eine abenteuerliche Seefahrt hin zu einer neuen Welt. Es handelt von einem unerschrockenen Schiff, das trotz rauer Meerwogen und Gefahren mit Mut und Entschlossenheit in Richtung einer zukünftigen, unbekannten Küste segelt. Der beharrliche Aufruf „Frisch auf denn, springt hinein! Frisch auf, das Deck bemannt! Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch den Sturm! Sucht Land und findet Land!“ durchzieht das gesamte Gedicht und unterstreicht seine entschlossene, vorwärtsdrängende Atmosphäre.

Im Laufe des Gedichts erkennt man jedoch, dass das Schiff ein metaphorisches, politisches Gefährt ist, das die Revolution symbolisiert. Es kämpft nicht nur gegen physische Hindernisse wie Stürme und Wogen, sondern vor allem gegen gesellschaftliche und politische Zustände des Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Im Laufe der Reise wird deutlich, dass das Ziel dieser revolutionären Fahrt eine gerechtere, freiheitlichere Gesellschaft ist. Erfolgreiche Revolutionäre und Freiheitskämpfer wie Kosciuszko, Washington, Lafayette und Franklin werden als metaphorische Steuermänner dieses revolutionären Schiffes genannt.

Formal besteht das Gedicht aus vierzehn Strophen, die abwechselnd aus neun und zwei Versen bestehen. Jede Neunervers-Strophe endet mit einem Refrain, der den beständigen, vorwärtsdrängenden Charakter des Gedichts hervorhebt. Die Sprache ist kraftvoll und bilderreich, mit starken Metaphern wie dem „Schiff: „Revolution!““, den „Wimpeln, die rot wie Blut sind“ oder der visionären „neuen Welt“.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Vor der Fahrt“ ein kraftvolles, metaphorisches Gedicht ist, das den revolutionären Willen zur Veränderung und Verbesserung gesellschaftlicher Zustände ausdrückt. Das lyrische Ich ruft die LeserInnen dazu auf, sich mutig und unerschrocken dieser Reise anzuschließen und kämpferisch für eine gerechtere, freiheitlichere Welt einzutreten.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Vor der Fahrt“ ist Ferdinand Freiligrath. Geboren wurde Freiligrath im Jahr 1810 in Detmold. Im Zeitraum zwischen 1826 und 1876 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Zürich. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Der Schriftsteller Freiligrath ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 520 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 77 Versen mit insgesamt 14 Strophen. Die Gedichte „Springer“, „Von unten auf“ und „Wie man’s macht“ sind weitere Werke des Autors Ferdinand Freiligrath. Zum Autor des Gedichtes „Vor der Fahrt“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 65 Gedichte vor.

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