Vom Seemann Kuttel Daddeldu von Joachim Ringelnatz

Eine Bark lief ein in Le Haver,
Von Sidnee kommend, nachts elf Uhr drei.
Es roch nach Himbeeressig am Kai,
Und nach Hundekadaver.
 
Kuttel Daddeldu ging an Land.
Die Rü Albani war ihm bekannt.
Er kannte nahezu alle Hafenplätze.
 
Weil vor dem ersten Hause ein Mädchen stand,
Holte er sich im ersten Haus von dem Mädchen die Krätze.
 
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Weil er das aber natürlich nicht gleich empfand,
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Ging er weiter, – kreuzte topplastig auf wilder Fahrt.
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Achtzehn Monate Heuer hatte er sich zusammengespart.
 
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In Nr. 6 traktierte er Eiwie und Kätchen,
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In 8 besoff ihn ein neues, straff lederbusiges Weib.
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Nebenan bei Pierre sind allein sieben gediegene Mädchen,
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Ohne die mit dem Zelluloid-Unterleib.
 
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Daddeldu, the old Seelerbeu Kuttel,
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Verschenkte den Albatrosknochen,
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Das Haifischrückgrat, die Schals,
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Den Elefanten und die Saragossabuttel.
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Das hatte er eigentlich alles der Mary versprochen,
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Der anderen Mary; das war seine feste Braut.
 
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Daddeldu – Hallo! Daddeldu,
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Daddeldu wurde fröhlich und laut.
 
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Er wollte mit höchster Verzerrung seines Gesichts
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Partu einen Niggersong singen
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Und „Blu beus blu“.
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Aber es entrang sich ihm nichts.
 
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Daddeldu war nicht auf die Wache zu bringen.
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Daddeldu Duddel Kuttelmuttel, Katteldu
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Erwachte erstaunt und singend morgens um vier
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Zwischen Nasenbluten und Pomm de Schwall auf der Pier.
 
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Daddeldu bedrohte zwecks Vorschuß den Steuermann,
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Schwitzte den Spiritus aus. Und wusch sich dann.
 
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Daddeldu ging nachmittags wieder an Land,
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Wo er ein Renntiergeweih, eine Schlangenhaut,
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Zwei Fächerpalmen und Eskimoschuhe erstand.
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Das brachte er aus Australien seiner Braut.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.1 KB)

Details zum Gedicht „Vom Seemann Kuttel Daddeldu“

Anzahl Strophen
11
Anzahl Verse
38
Anzahl Wörter
237
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Vom Seemann Kuttel Daddeldu“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst, einem deutschen Schriftsteller und Kabarettisten, der von 1883 bis 1934 lebte. Ringelnatz ist besonders bekannt für seine humorvollen und oft sarkastischen Gedichte, die häufig das Leben von Matrosen und Seemännern thematisieren.

Auf den ersten Blick scheint das Gedicht eine heitere und ausgelassene Atmosphäre zu verbreiten, die an das ungezügelte und freie Leben eines Seemanns erinnert. Doch bei genauerer Betrachtung enthüllt es auch die Schattenseiten dieses Lebensstils.

Das Gedicht erzählt die Geschichte von Kuttel Daddeldu, einem Seemann, der nach seiner Ankunft in Le Havre die Kneipen und Bordelle der Stadt besucht. Er zeigt hierbei wenig Rücksicht auf sein körperliches und seelisches Wohl und lässt sich von seinen impulsiven Begierden treiben. Alles, was er sich während seiner Fahrt zusammengespart hat, gibt er rücksichtslos für Alkohol und sexuelle Vergnügungen aus. Dabei entgeht ihm jedoch nicht, dass sein Verhalten negative Konsequenzen hat, so kauft er für seine „feste Braut“ bewusst Geschenke als Wiedergutmachung.

Die Sprache des Gedichts ist fließend, volkstümlich und humorvoll, was das raue und ungeschönte Leben eines Seemanns widerspiegelt. Die Strophen sind in verschiedenen Längen gehalten, was ebenfalls zur Charakterisierung des Protagonisten beiträgt: Er lässt sich nicht einschränken oder in eine Form pressen, sondern lebt nach seinen eigenen Regeln.

Ringelnatz bedient sich einer sehr bildhaften und umgangssprachlichen Ausdrucksweise, die den Leser unmittelbar in die Welt von Kuttel Daddeldu eintauchen lässt. Er versucht nicht, das raue Leben an Bord und in den Hafenstädten zu beschönigen, sondern stellt es mit all seinen rauen und dunklen Facetten dar. Dabei entlarvt er auf subtile Weise die Illusion von Freiheit und Unabhängigkeit, die das Leben eines Seemanns zu bieten scheint. Letztendlich bleibt Kuttel Daddeldu ein Getriebener, der in einem Kreislauf aus Lust und Reue gefangen ist und diesen - trotz aller Einsichten - nicht zu durchbrechen vermag.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Vom Seemann Kuttel Daddeldu“ ist Joachim Ringelnatz. Der Autor Joachim Ringelnatz wurde 1883 in Wurzen geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1920 entstanden. Der Erscheinungsort ist München. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Moderne oder Expressionismus zuordnen. Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das 237 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 38 Versen mit insgesamt 11 Strophen. Die Gedichte „...als eine Reihe von guten Tagen“, „7. August 1929“ und „Abendgebet einer erkälteten Negerin“ sind weitere Werke des Autors Joachim Ringelnatz. Zum Autor des Gedichtes „Vom Seemann Kuttel Daddeldu“ haben wir auf abi-pur.de weitere 560 Gedichte veröffentlicht.

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