Vision des Erblindeten von Karl Kraus

So, Mutter, Dank! So fühl’ ich deine Hand.
Oh, sie befreit von Nacht und Vaterland!
Ich athme Wald und heimatliches Glück.
Wie führst du mich in deinen Schoß zurück.
 
Nun ist der Donner dieser Nacht verrollt.
Ich weiß es nicht, was sie von mir gewollt.
O Mutter, wie dein guter Morgen thaut!
Schon bin ich da, wo Gottes Auge blaut.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (23.6 KB)

Details zum Gedicht „Vision des Erblindeten“

Autor
Karl Kraus
Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
8
Anzahl Wörter
60
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Moderne,
Expressionismus,
Avantgarde / Dadaismus

Gedicht-Analyse

Der Autor des vorliegenden Gedichts ist Karl Kraus, ein österreichischer Schriftsteller der Jahrhundertwende bzw. Wiener Moderne. Geboren wurde Kraus 1874 und er verstarb 1936, daher kann das Gedicht in den Zeitraum zwischen dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert eingeordnet werden.

Beim ersten Lesen fällt einem die emotionale Intensität des Gedichts auf, ausgedrückt durch die Verwendung der direkten Anrede „Mutter“ und den Dankesausdruck, was auf eine enge Bindung zwischen dem lyrischen Ich und seiner Mutter schließen lässt.

Inhaltlich drückt das lyrische Ich Dankbarkeit und Erleichterung gegenüber seiner Mutter aus, da sie ihm aus einer dunklen Phase („Nacht“) befreit hat (vielleicht einer Krankheit oder einer bedrückenden Situation, symbolisiert durch die Begriffe „Nacht“ und „Vaterland“). Es atmet die Freiheit und das Glück der Heimat, insbesondere den Wald, und fühlt sich von seiner Mutter in einen geborgenen und sicheren Ort zurückgeführt.

In der zweiten Strophe wird das Thema des Dunklen, des Unbekannten und Bedrohlichen (vertreten durch den Begriff „Donner“) weiter unterstrichen. Das lyrische Ich weiß nicht, was das Dunkle von ihm wollte. Die Anrede „Mutter“ ist wiederum ein Hinweis auf Geborgenheit und Schutz, besonders in der Zeile „O Mutter, wie dein guter Morgen thaut!“, was auf den Beginn eines neuen, besseren Tages bzw. Lebensabschnittes hindeuten könnte. Das Gedicht endet mit einer spirituellen Anspielung: Der Sprecher befindet sich dort, wo „Gottes Auge blaut“, was auf einen Zustand der Gnade und himmlischen Frieden hinweisen kann.

Diese vielschichtige Symbolik und die lyrische Qualität des Gedichts werden durch eine einfache, aber prägnante Sprache und eine klassische Reimstruktur untermalt. Die Verse sind alle in einer ähnlichen Länge gehalten, was dem Gedicht eine klare Struktur verleiht und dabei hilft, die Bedeutung zu entfalten.

Abschließend lässt sich sagen, dass das Gedicht die Themen Schmerz und Erleichterung, Dunkelheit und Licht, Exil und Heimat, sowie die universelle Bindung zur Mutter und das spirituelle Streben des Menschen eindrucksvoll behandelt.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Vision des Erblindeten“ des Autors Karl Kraus. Der Autor Karl Kraus wurde 1874 in Jičín (WP), Böhmen geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1920 entstanden. Der Erscheinungsort ist München. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das Gedicht besteht aus 8 Versen mit insgesamt 2 Strophen und umfasst dabei 60 Worte. Weitere Werke des Dichters Karl Kraus sind „Alle Vögel sind schon da“, „Als Bobby starb“ und „An den Schnittlauch“. Zum Autor des Gedichtes „Vision des Erblindeten“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 61 Gedichte vor.

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