Versunkenes Träumen von Kurt Tucholsky

Lieblich ruht der Busen, auf dem Tisch,
jener Jungfrau, welche rosig ist und frisch.
 
Ach, er ist so kugelig und gerundet,
daß er mir schon in Gedanken mundet.
 
Heil und Sieg dereinst dem feinen Knaben,
dem es freisteht, sich daran zu laben.
 
Jener wird erst stöhnen und sich recken;
aber nachher bleibt er sicher stecken.
 
Heirat, Kinder und ein häusliches Frangssäh –
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nichts von Liebesnacht und jenem Kanapee …
 
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Ich hingegen sitz bei ihren Brüsten,
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und – gedanklich – dient sie meinen Lüsten.
 
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Doch dann steh ich auf und schlenkre froh mein Bein,
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schiebe ab,
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bin frei –
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und lasse Jungfer Jungfer sein! –
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Versunkenes Träumen“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
98
Entstehungsjahr
1919
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Versunkenes Träumen“ wurde von Kurt Tucholsky verfasst, einem deutschen Journalisten und Schriftsteller, der im frühen 20. Jahrhundert lebte. Seine Arbeiten fallen in die Epoche der Weimarer Republik, eine Zeit großer politischer und sozialer Veränderungen in Deutschland.

Beim ersten Lesen erzeugt das Gedicht einen starken Eindruck von Begierde und Sehnsucht, gemischt mit einer gewissen Resignation. Es ist nicht schwer, eine erotische Konnotation in den Worten zu erkennen. Das lyrische Ich scheint über eine bestimmte Frau zu phantasieren, wobei es insbesondere ihre körperlichen Reize betont.

Im Detail handelt das Gedicht von der Begierde des lyrischen Ichs nach einer Frau, von deren körperlichen Vorzügen er hingerissen ist. Er stellt sich vor, wie es wäre, sie zu berühren und mit ihr intim zu sein. Gleichzeitig aber scheint er sich der Realität bewusst zu sein - dass letztendlich ein anderer Mann sie bekommen würde, der mit traditionellen Themen des Familienlebens, wie Ehe und Kinder, konfrontiert würde. Insofern könnte das Gedicht auch als Kommentar über die Begrenzungen und die potenzielle Banalität der traditionellen heterosexuellen Beziehungen gelesen werden.

Das Gedicht hat eine einfache Struktur, mit zwei Versen pro Strophe bis zur letzten, die vier Verse hat. Es ist in einfacher und verständlicher Sprache verfasst, obwohl einige Abschnitte möglicherweise einen doppelten Sinn oder eine verdeckte Bedeutung haben. Dabei nutzt Tucholsky humorvolle und auch vulgäre Sprache und betont so den Kontrast zwischen der Fantasien des lyrischen Ichs und der Realität.

Insgesamt zeigt Tucholskys „Versunkenes Träumen“ auf satirische Weise die Diskrepanz zwischen den Träumen und Fantasien des Individuums und den Realitäten des gesellschaftlichen Lebens auf. Es beleuchtet die Begrenzungen, die durch soziale Normen und Erwartungen auferlegt werden, und hinterfragt die Vorstellung von konventionellen Beziehungen und Familienleben.

Weitere Informationen

Kurt Tucholsky ist der Autor des Gedichtes „Versunkenes Träumen“. Im Jahr 1890 wurde Tucholsky in Berlin geboren. Im Jahr 1919 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Charlottenburg. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur zugeordnet werden. Bei Tucholsky handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Wichtigen Einfluss auf die Literatur der Weimarer Republik nahmen der Erste Weltkrieg und die daraufhin folgende Entstehung der Weimarer Republik. Neue Sachlichkeit ist eine Richtung der Literatur der Weimarer Republik. In den ihr zugerechneten Werken ist die zwischen den Weltkriegen hervortretende Tendenz zu illusionslos-nüchterner Darstellung von Gesellschaft, Erotik, Technik und Weltwirtschaftskrise deutlich erkennbar. Dies kann man als Reaktion auf den literarischen Expressionismus werten. Die Dichter orientierten sich an der Realität. Die Handlung wurde meist nur kühl und distanziert beobachtet. Man schrieb ein Minimum an Sprache, dafür hatte diese ein Maximum an Bedeutung. Es sollten so viele Menschen wie möglich mit den Texten erreicht werden, deshalb wurde eine einfache sowie nüchterne Alltagssprache verwendet. Viele Schriftsteller litten unter der Zensur in der Weimarer Republik. Im Jahr 1922 wurde nach einem Attentat auf den Reichsaußenminister das Republikschutzgesetz erlassen, das die zunächst verfassungsmäßig garantierte Freiheit von Wort und Schrift in der Weimarer Republik deutlich einschränkte. In der Praxis wurde dieses Gesetz allerdings nur gegen linke Autoren angewandt. Aber gerade die rechts gerichteten Schriftsteller waren es häufig, die in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Die Grenzen der Zensur wurden im Jahr 1926 durch das sogenannte Schund- und Schmutzgesetz nochmals verstärkt. Die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen wurden durch die Pressenotverordnung im Jahr 1931 ermöglicht.

Als Exilliteratur wird die Literatur von Schriftstellern bezeichnet, die unfreiwillig Zuflucht in der Fremde suchen müssen, weil ihre Person oder ihr Werk im Heimatland bedroht sind. Für die Flucht ins Exil geben meist religiöse oder politische Gründe den Ausschlag. Die Exilliteratur in Deutschland entstand in den Jahren von 1933 bis 1945 als Literatur der Gegner des Nationalsozialismus. Dabei spielten zum Beispiel die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 und der deutsche Überfall auf die Nachbarstaaten in den Jahren 1938/39 eine ausschlaggebende Rolle. Die deutsche Exilliteratur schließt an die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik an und bildet damit eine eigene Literaturepoche in der deutschen Literaturgeschichte. Die Themen der deutschen Exilliteratur lassen sich zunächst in zwei Gruppen einteilen. Einige Schriftsteller fühlten sich in ihrer neuen Heimat nicht zu Hause, hatten Heimweh und wollten einfach in ihr altes Leben vor dem Nationalsozialismus zurückkehren. Oft konnten sie im Ausland nicht mehr ihrer Arbeit als Schriftsteller nachgehen, da sie nur in deutscher Sprache schreiben konnten, was im Ausland aber niemand verstand. Heimweh und ihre Liebe zum Mutterland sind die Themen in ihren Werken. Andere Schriftsteller wollten sich gegen Nazideutschland wehren. Man wollte einerseits die Welt über die Grausamkeiten in Deutschland aufklären. Andererseits aber auch den Widerstand unterstützen. Spezielle formale Merkmale weist die Exilliteratur nicht auf. Die Exilliteratur weist häufig einen Pluralismus der Stile (Realismus und Expressionismus), eine kritische Betrachtung der Wirklichkeit und eine Distanz zwischen Werk und Leser oder Publikum auf. Sie hat häufig die Absicht zur Aufklärung und möchte gesellschaftliche Entwicklungen aufzeigen (wandelnder Mensch, Abhängigkeit von der Gesellschaft).

Das Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 98 Worte. Die Gedichte „An die Meinige“, „An einen garnisondienstfähigen Dichter“ und „An ihren Papa“ sind weitere Werke des Autors Kurt Tucholsky. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Versunkenes Träumen“ weitere 136 Gedichte vor.

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