Vergänglichkeit von Frank Wedekind
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Streck deine Beine, mein hübscher Genoß; |
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Deine schwarzen Strümpfe aus Fil d’Ecosse |
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Reichen dir weit bis über die Kniee, |
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Wenn ich sie dir nicht noch höher ziehe. |
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Sie sind das Verfänglichste wohl an dir, |
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Deine schwarzen Strümpfe; ich sterbe dafür. |
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Hell schimmert die Haut durch die weiten Maschen, |
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Man möchte von außen schon daran naschen. |
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Dabei legst du deine Füße so friedlich |
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Übereinander, die blanken Lackschuhe appetitlich |
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Gestreckt – die Seligkeit, sie dir zu binden, |
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Kann im Himmel nicht ihresgleichen finden. |
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Dein schwarzer Lockenkopf, deine blassen Wangen, |
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Dein splitternackter Mund, deine bangen |
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Tiefschwarzen Augen sind eine Pracht, |
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Doch haben nicht sie mich verrückt gemacht. |
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Deine Unwiderstehlichkeit liegt in den Beinen. |
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Seh’ ich dich kommen, so möcht’ ich weinen. |
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Du hebst die Kniee in einem Takt, |
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Der würgend mich an der Kehle packt. |
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Ich will dir zum ewigen Angedenken |
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Ein Paar Strumpfbänder in zartem Lila schenken |
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Mit goldenem Wappen, denn du bist in der Tat |
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Ein Mädchen und ein junger Aristokrat. |
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Ein Knabe, der in seiner Anmut nicht leidet, |
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Wenn er sich zuweilen als Mädchen verkleidet; |
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Aber deine Mutter sagt mir, du seist |
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Durchdrungen von ritterlichem Geist, |
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Du bestehest mit Glanz die schwierigsten Examen |
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Und schwärmest auch schon für die allerreizendsten Damen. |
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Niemand glaubt mir in dieser Welt, |
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Wie mir das an dir, meinem Schützling gefällt. |
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Noch bist du Cherub. Wenige Wochen, |
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Dann ist wohl die Knospe schon aufgebrochen; |
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Dann blickst du mit grimmem Schauder auf mich, |
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Der dir so zärtlich die Locken strich. |
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Wie schade, daß alles Schöne vergeht, |
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Auch deine Hoheit. Die Pubertät |
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Macht dich den übrigen Flegeln ähnlich. |
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Der Duft ist hin und du wirst gewöhnlich. |
Details zum Gedicht „Vergänglichkeit“
Frank Wedekind
10
40
268
1905
Moderne
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichts ist Frank Wedekind, ein deutscher Dramatiker und Schriftsteller, der in der Epoche des Naturalismus und Expressionismus gelebt hat (1864-1918).
Das Gedicht thematisiert die Vergänglichkeit, Titel und ebenso Thematik des Werks, in Bezug auf den heranwachsenden Protagonisten. Die Worte sind sinnlich und suggestiv, wobei ein deutlicher Fokus auf die physischen Aspekte der jugendlichen Schönheit und Anziehungskraft gelegt wird.
Beim ersten Durchlesen erzeugt das Gedicht einen starken Eindruck von Ehrfurcht und Begehren, der durch die detaillierte Beschreibung der körperlichen Reize des jungen Heranwachsenden erzeugt wird. Die intensive Begeisterung für die Schönheit des Jugendlichen wird von einer melancholischen Reflexion über die Unvermeidlichkeit des Wandels und Verlustes begleitet.
Inhaltlich dreht sich das Gedicht um eine nahezu obsessive Bewunderung für die physische Schönheit und die jugendliche Unschuld des Protagonisten. Das lyrische Ich drückt eine tiefe Faszination für die Attraktivität und das Begehren, das die jugendliche Erscheinung hervorruft, aus. Allerdings zeugt auch ein Gefühl von Verlust und Bedauern über die Unausweichlichkeit der Veränderung, insbesondere mit Bezug auf das Erwachsenwerden und das Einsetzen der Pubertät, durch das der Protagonist seine kindliche Reinheit und Schönheit verliert.
Das Gedicht besteht aus zehn Strophen mit jeweils vier Versen, wobei sich der Versrhythmus durch das gesamte Gedicht zieht. Die Sprache ist bildhaft und detailliert, kombiniert mit einer sinnlichen und suggestiven Wortwahl, die eine intensive und leidenschaftliche Stimmung erzeugt. Es gibt eine starke Betonung von Kontrasten zwischen der Schönheit und der Vergänglichkeit, symbolisiert durch Bilder von Jugend und Alter, Unschuld und Verfall.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieses Gedicht einen tiefen Einblick in die menschliche Faszination für Schönheit und Jugend sowie die schmerzliche Anerkennung ihrer Vergänglichkeit bietet. Wedekind nutzt sinnliche und eindringliche Beschreibungen, um ein starkes Gefühl von Begehren und Verlust zu erzeugen, was das zentrale Thema des Gedichtes, die Vergänglichkeit, noch stärker unterstreicht.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Vergänglichkeit“ des Autors Frank Wedekind. Wedekind wurde im Jahr 1864 in Hannover geboren. Im Jahr 1905 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist München. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Wedekind ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 268 Wörter. Es baut sich aus 10 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Frank Wedekind sind „Am Scheidewege“, „An Berta Maria, Typus Gräfin Potocka“ und „An Bruno“. Zum Autor des Gedichtes „Vergänglichkeit“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 114 Gedichte vor.
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Zum Autor Frank Wedekind sind auf abi-pur.de 114 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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