Armuth der Sprache von Johann Bernhard Vermehren

Liebe, wer kann sie beschreiben, wer kann die Göttliche schildern?
Sprache hier bist du zu arm, Worte hier seyd ihr zu kalt.
Aber, wenn kühn ein hartes Geschick die Liebenden trennet,
Wenn sich ein furchtbares Meer zwischen die Liebenden stellt,
Wenn sie des Neides Gewalt aus süßen Umarmungen reißet,
Wenn sie der feindliche Raum weiter und weiter entfernt,
Wie verstehn sie sich beid’ in öder, weiter Entfernung,
Wer lehrt beide getreu auch in der Ferne Verein?
Sprache, du bist’s allein, du arme, verachtete Sprache,
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Die den Liebenden Trost in der Entfernung gewährt.
 
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Worte, ihr nur allein, ihr tröpfelt lindernden Balsam,
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Wenn getrennete Lieb’ schmerzende Wunden uns schlägt.
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Gerne vertraut euch jeder, ihr holden Vertrauten der Liebe,
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Gerne gießt er sein Leid euch in den lieblichen Schoos.
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Freundlich kleidet die Armuth dich, du sanftere Sprache,
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Wenn ihr nichts mehr sagt, Worte nie saget ihr mehr.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.1 KB)

Details zum Gedicht „Armuth der Sprache“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
145
Entstehungsjahr
1799
Epoche
Klassik,
Romantik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Armuth der Sprache“ stammt von Johann Bernhard Vermehren, der im 18. Jahrhundert lebte. Bezüglich der zeitlichen Einordnung würde ich daher das Gedicht der Epoche der Spätaufklärung bzw. der beginnenden Romantik zuordnen.

Beim ersten Eindruck wirkt das Gedicht ernst und nachdenklich, dabei aber auch auf eine ruhige Art emotional. Es scheint die Schwierigkeiten und gleichzeitig die Notwendigkeit der Kommunikation in einer Liebesbeziehung zu thematisieren, insbesondere wenn Distanz im Spiel ist.

Der Inhalt des Gedichts handelt davon, dass die Sprache oft unzureichend erscheint, um die Tiefe und Intensität der Liebe adekvat auszudrücken. Dennoch, so betont das lyrische Ich, ist gerade die Sprache das wichtigste Mittel, um einem geliebten Menschen Trost in Zeiten der Trennung und Entfernung zu bieten. Sprache, so schwach sie auch scheinen mag, hat die Kraft, schmerzende Wunden zu heilen und Leid zu lindern. Auch wenn ihr Nutzen begrenzt zu sein scheint, ist sie dennoch unersetzbar.

Die Form des Gedichts ist in freien Versen gehalten und es besteht aus zwei Strophen mit unterschiedlicher Versanzahl. Die Sprache ist hochgestochen und bildreich und wird durch den Wechsel von kritischer Betrachtung und Huldigung der Sprache sowie durch eine lebhafte Metaphorik gekennzeichnet. Die wiederholte Anwendung von rhetorischen Fragen und die Verwendung von Anaphern („Sprache, du bist's...“, „Worte, ihr nur...“) verstärken die emotionale Tiefe des Gedichts.

Die wiederholte Betonung der „armen“, „verachteten“ und „sanfteren“ Sprache kennzeichnet sie als Heldin des Gedichts. Trotz ihrer scheinbaren Mängel ist sie ein vertrauensvoller Weggefährte und gleichzeitig ein unschätzbar wertvoller Heiler. Darin scheint die zentrale Botschaft des Gedichts zu liegen – eine Ode an die Macht und die Notwendigkeit der Sprache, insbesondere in Zeiten der Liebe und der Trennung.

Weitere Informationen

Johann Bernhard Vermehren ist der Autor des Gedichtes „Armuth der Sprache“. Im Jahr 1777 wurde Vermehren in Lübeck geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1799. In Tübingen ist der Text erschienen. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Klassik oder Romantik zugeordnet werden. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das vorliegende Gedicht umfasst 145 Wörter. Es baut sich aus 2 Strophen auf und besteht aus 16 Versen. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Armuth der Sprache“ keine weiteren Gedichte vor.

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