Venus Socia von Richard Dehmel

– Kaffee, Branntwein, Bier –
im Spelunkenrevier,
und ein Lied scholl rührend durch die Thür;
und das sangen und spielten die traurigen Vier,
ein Vater mit seinen drei Töchtern.
Er stand am Ofen, die Geige am Kinn
schief neben ihm hockte die Harfnerin,
und die Jüngste knixte, und aus das Lied,
die Geige die machte ti-flieti-fliet:
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„War Eine, die nur Einen lieben kunnt“ ...
 
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Die dritte ging stumm
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mit dem Teller herum,
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ums polternde Biljard, blaß und krumm;
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und nun drehte der Alte die Fidel um
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und klappte darauf mit dem Bogen.
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Und auf Einmal schwieg der Keller ganz,
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die Jüngste die hob die Röcke zum Tanz;
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die Harfe die machte ti-plinki-plunk,
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und die Jüngste war so kinderjung
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und sang zum Tanz ein wüstes Hurenlied ...
 
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Sie sang’s mit Glut,
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das zarte Blut;
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und der schwarze, zerknitterte Roßhaarhut
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stand zu der plumpen Harfe gut,
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mit den weißen papiernen Rosen.
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Laut schrillten die Saiten tiflieti-plunk,
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und Alle beklatschten den letzten Sprung,
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und die Tellermarie stand vor mir; stumpf
29 
„Spielt mir noch Einmal“, bat ich dumpf,
30 
„War Eine, die nur Einen lieben kunnt“ ...
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25 KB)

Details zum Gedicht „Venus Socia“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
30
Anzahl Wörter
178
Entstehungsjahr
1893
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht stammt von Richard Dehmel, einem bedeutenden deutschen Lyriker der Zeit des Naturalismus und des Symbolismus um die Wende zum 20. Jahrhundert. Seine Werke reflektierten oft soziale Ungleichheit und moralische Dilemmata.

Beim ersten Lesen erzeugt das Gedicht eine düstere und etwas bedrückende Atmosphäre. Es spielt in einer schäbigen und heruntergekommenen Spelunke, wo ein älterer Mann und seine drei Töchter Musik machen und auftreten. Sie spielen und singen melancholische Lieder, die beim lyrischen Ich eine emotionale Reaktion hervorrufen. Letztendlich bittet das lyrische Ich, das Refrain ihres Liedes – „War eine, die nur einen lieben kunnt“ - erneut zu hören.

Der Inhalt des Gedichts bezieht sich auf die traurige Realität dieses Vaters und seiner Töchter, die in einer rauen Umgebung leben und zur Unterhaltung der Gäste auftreten müssen. Die jüngste Tochter ist trotz ihres kindlichen Alters gezwungen, ein unpassendes, wüstes Lied zu singen. Es wird das Bild einer Welt dargestellt, in der Lebensfreude und Unschuld schon früh dem Überlebenskampf und der Härte des Lebens weichen müssen.

Formal besteht das Gedicht aus drei Strophen mit jeweils zehn Versen. Die Sprache ist schlicht und ansprechend, die Szenen werden klar und anschaulich beschrieben, sodass die Leser*innen eine lebendige Vorstellung der Situation bekommen. Es werden viele konkrete Details verwendet, um die Raufbolde, wie den „zerknitterten Roßhaarhut”, die „weißen papiernen Rosen“ und den „polternden Biljard“, zu beschreiben.

Das lyrische Ich scheint ein Beobachter oder ein Gast in der Spelunke zu sein. Seine Bitte am Ende des Gedichts deutet darauf hin, dass das Lied eine besondere Bedeutung für ihn hat, vielleicht erinnert es ihn an seine eigene Liebe oder an eine verlorene Unschuld. Es ist auch ein ergreifender Kommentar über die unfreiwillige Ausbeutung von Kindern, die in schwierigen Umständen aufwachsen.

Insgesamt gibt das Gedicht einen tiefen Einblick in das triste Leben der Protagonisten und regt gleichzeitig zum Nachdenken über Ungerechtigkeit und Ausbeutung an. Trotz der dunklen Thematik zeichnet Dehmel ein realistisches und ungeschminktes Bild der damaligen Gesellschaft.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Venus Socia“ des Autors Richard Dehmel. Dehmel wurde im Jahr 1863 in Wendisch-Hermsdorf, Mark Brandenburg geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1893 entstanden. Erschienen ist der Text in München. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Moderne zuordnen. Bei Dehmel handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 30 Versen mit insgesamt 3 Strophen und umfasst dabei 178 Worte. Der Dichter Richard Dehmel ist auch der Autor für Gedichte wie „Bastard“, „Bitte“ und „Büßende Liebe“. Zum Autor des Gedichtes „Venus Socia“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 522 Gedichte vor.

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