Venus Genetrix von Richard Dehmel

Aller Wunder wundersamstes,
länger trug’s die Seele nicht.
Ihre großen Thränen strömten
über dein und mein Gesicht.
 
„Nur für dich!“ ein Flehn, ein Stammeln
schluchzender Verkündigung;
und mir keimte deine Lilje
aus dem Schooß der Dämmerung.
 
Doch es wuchs, es hob die Blüte
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ihr befeuchtetes Gesicht,
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bis wir ahnten und erkannten,
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daß die Lilje deine nicht.
 
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Denn in meine Welt gehoben,
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dir entwachsen ganz und gar,
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lagen wir in ihrem Kelche,
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mir du, dir du offenbar,
 
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tranken wir mit unserm Munde
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ihre große Trunkenheit,
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hat aus ihrem Seelengrunde
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uns ein stummer Schwur geweiht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Venus Genetrix“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
94
Entstehungsjahr
1893
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorgelegte Gedicht „Venus Genetrix“ stammt von Richard Dehmel und wurde in der Epoche des Symbolismus und Naturalismus, am Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts, verfasst.

Der erste Eindruck des Gedichts zeugt von emotionaler Intensität, erzeugt durch die bildhafte Darstellung von Empfindungen und Liebe. Das Gedicht handelt von einer intensiven Liebe zwischen zwei sich erkennenden und entfaltenden Wesen, symbolisiert durch die Blüte einer Lilie.

Die Verse 1 bis 4 beschreiben eine emotionale Befreiung, ein Überströmen von Gefühlen, die so intensiv sind, dass sie nicht länger zurückgehalten werden konnten. Die Verse 5 bis 8 sprechen von einem Flehen, einer sehnsüchtigen Bitte, interprätierbar als ein Liebesgeständnis.

Das Lyrische Ich stellt fest, dass die entstehende Liebe oder „Lilje“ aus der Dämmerung keimt, was ein Aufblühen von etwas Neuem nach einer Phase der Dunkelheit und Unsicherheit bedeutet. Ab den Versen 9 bis 12 gibt es eine Erkenntnis, dass die sich entfaltende Liebe nicht länger der Geliebten sondern beiden gehört.

In den Versen 13 bis 16, liegt ein starkes Einssein in der aufgeblühten Liebe („in ihrem Kelche“), wobei das „dir du“ und „mir du“ ein gegenseitiges Erkennen und Akzeptieren ausdrückt. Die letzte Strophe (17 bis 20) beschreibt ein tiefes, inniges Empfinden, das in einem unausgesprochenen Schwur unauflöslich verankert ist.

Formal besteht das Gedicht aus fünf vierzeiligen Strophen in freier Rhythmik ohne festes Metrum oder Reimschema, was die Freiheit der dargestellten Emotionen und die Dynamik des aufblühenden Liebesgeschehens unterstreicht. Die Sprache ist metaphorisch und bildhaft und lehnt sich an den Symbolismus an. So wird die Erblühende Liebe als Keimen und Aufblühen einer Lilie symbolisiert und die intensiven Emotionen im Kontext von Dämmerung, Trunkenheit und Schweigen dargestellt.

Weitere Informationen

Richard Dehmel ist der Autor des Gedichtes „Venus Genetrix“. Im Jahr 1863 wurde Dehmel in Wendisch-Hermsdorf, Mark Brandenburg geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1893 zurück. München ist der Erscheinungsort des Textes. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Der Schriftsteller Dehmel ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 94 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 20 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Weitere Werke des Dichters Richard Dehmel sind „Ballade vom Volk“, „Bann“ und „Bastard“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Venus Genetrix“ weitere 522 Gedichte vor.

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