Venus Domestica von Richard Dehmel

Ja, die heilige Familie ...
Josef — Maria — —
— — — — — — — —
denn das Esulein freute sich eben
an dem Heuduft einer trockenen Lilie.
 
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Wenn man so von drei vier Kindeln
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erst gewohnt ist — — —
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— — — — alten Windeln
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Blos, hm, weißt du, — — — — — —
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bitte, zeige dich nicht nackt vor mir;
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deinen Leib, den schenk’ich dir
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und vielleicht sogar ’nem Andern ...
 
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Weine nicht, mein Herz! der gute
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Josef war ein weiser Mann.
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Dein Gesicht ist Dein – und mir ein Bann;
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doch was sonst so drum und dran,
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hast du sehr gemein mit jeder Pute!
 
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Und, trotz innersten Gelübden,
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aber hör’ich manchmal so dies Schrei’n
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möcht ich auch wol nach Egypten,
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blos – alleine, ohne Esulein!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.6 KB)

Details zum Gedicht „Venus Domestica“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
30
Anzahl Wörter
107
Entstehungsjahr
1893
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das „Venus Domestica“ ist ein Gedicht von Richard Dehmel, einem deutschen Dichter, der in der Zeit vom naturalistischen und symbolistischen Dichtung wirkt und lebt von 1863 bis 1920. Die Lücke im Gedicht macht eine genaue Deutung schwierig, aber wir können anhand der vorhandenen Verse eine grobe Interpretation vornehmen.

Schon der Titel „Venus Domestica“ weist darauf hin, dass es hier um eine Darstellung der traditionellen Rolle der Frau im Haushalt geht. Die „heilige Familie“ aus dem ersten Vers könnte auf die christlichen Figuren Josef und Maria hinweisen. Die wiederholte Nennung von „Esulein“ weist darauf hin, dass es sich bei dem lyrischen Ich um einen Mann handelt, der eine Frau und Mutter anspricht.

Das lyrische Ich spricht von Alltagsdingen wie „alten Windeln“ und dem Wunsch, zumindest zeitweise alleine zu sein. Es ist eine gewisse Unzufriedenheit und möglicherweise sogar Frustration mit der gegenwärtigen Situation spürbar. Das lyrische Ich scheint auch zu kritisieren, dass die Frau sich ihm nackt präsentiert und ihn so an ihre Rolle als Mutter und Ehefrau erinnert.

In puncto Form entspricht das Gedicht dem typischen Muster der Lyrik der damaligen Zeit mit geregelten Strophen- und Versstrukturen. Jedoch sind viele Verse unvollständig oder ganz gestrichen, ein Zeichen dafür, dass es sich um ein Fragment handelt oder Dehmel hier Ausdruck seiner Unzufriedenheit mit der sprachlichen Darstellung seiner Emotionen gibt.

Die Sprache Dehmels ist klar und unprätentiös mit wenigen bildhaften Ausdrücken und beschreibt alltägliche Dinge. Ein wesentliches Kennzeichen seines Stils ist eine antithetische Synthese – die Verschmelzung von scheinbaren Gegensätzen –, die hier in der Darstellung von traditioneller Ehe und Familienglück mit Frustration und dem Wunsch nach Freiheit zum Ausdruck kommt.

Insgesamt vergegenwärtigt dieses Gedicht uns den damaligen Widerspruch zwischen der traditionellen Rolle der Frau und den sich ändernden Einstellungen zur Ehe und Familie im beginnenden 20. Jahrhundert.

Weitere Informationen

Richard Dehmel ist der Autor des Gedichtes „Venus Domestica“. Dehmel wurde im Jahr 1863 in Wendisch-Hermsdorf, Mark Brandenburg geboren. Im Jahr 1893 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist München. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Moderne zuordnen. Dehmel ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 107 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 30 Versen. Weitere Werke des Dichters Richard Dehmel sind „Chinesisches Trinklied“, „Dann“ und „Das Gesicht“. Zum Autor des Gedichtes „Venus Domestica“ haben wir auf abi-pur.de weitere 522 Gedichte veröffentlicht.

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