Venus Adultera von Richard Dehmel
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Komm, Schatz; komm, Katz; laß das Wimmern! |
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Nein, das darf dich nicht bekümmern, |
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ob ich auch „treu“ bin; rück nur her! |
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Komm: ich hab ein Dutzend Seelen, |
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wer kann all die Kammern zählen, |
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sechse stehen grade leer. |
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Sieh nicht auf den Ring an meinem Finger; |
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hoh, mein Kind, ich bin viel jünger |
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als mein narbiges Gesicht. |
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Weißt du, die Runzeln und die Hiebe |
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thun erst die Würze zu Ehre und Liebe! |
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Ja, mein süßer Bösewicht: |
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Viel geliebt, noch mehr getrunken, |
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manchmal fast im Strom versunken, |
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heida wie der Schläger pfiff! |
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Soll das Leben dir was nützen, |
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lerne auch dein Blut versprützen: |
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nicht gezuckt! los! blick und triff! |
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Hast ja auch schon – Blut verspritzt, |
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oft ... ah! wie dein Auge blitzt: |
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zürnst wol gar dem frechen Buben? |
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Was denn: Thränen? o nicht doch! oh! |
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Herzchen, so’was lernt man so |
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in der Luft der Ehestuben! |
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Komm: sei gut, Kind! Gieb mir die Hand! |
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Hast mich ja lieb, Kind – und hast Verstand: |
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nein, ich will dich nicht verführen. |
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Aber gelt, du wärst gern Braut? |
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Hier das Venushalsband deiner Haut |
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läßt verhaltene Wünsche spüren! |
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Sieh mich doch an, du: bin kein Dieb! |
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habe das Halsband nur so lieb |
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und deine dunkeln Augenringe. |
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Sieh doch: mein Blick ist ein zündender Pfeil, |
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und meine Stimme ein sausendes Seil: |
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komm, durch Höllen und Himmel soll’s dich schwingen! |
Details zum Gedicht „Venus Adultera“
Richard Dehmel
6
36
221
1893
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Venus Adultera“ wurde von Richard Dehmel verfasst, einem deutschen Dichter und Schriftsteller, der während des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts tätig war. Somit ist der Text in den Kontext des Naturalismus und des frühen Expressionismus einzuordnen.
Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht sehr dynamisch und direkt. Es nimmt sich kein Blatt vor den Mund und scheint verschiedene Themen anzusprechen wie Liebe, Begierde, Treue und Untreue, Leben und Alter.
Das Gedicht beinhaltet eine Konversation zwischen dem lyrischen Ich, das vermutlich ein älterer Mann ist, und einer jüngeren Frau oder einem Mädchen. Das lyrische Ich erklärt, dass er nicht treu ist und immer noch jung im Herzen, trotz seines gealterten Äußeren. Er erkennt, dass diese Liebe möglicherweise falsch oder unerwünscht ist, bietet seiner Gesprächspartnerin jedoch Trost und verspricht, sie nicht zu verführen. Allerdings wird am Ende des Gedichts, in den letzten beiden Strophen, die sexuelle Anziehungskraft stärker betont, und das lyrische Ich scheint seine gleichmütige Haltung aufzugeben und drängt darauf, dass sie sich ihm hingibt.
Formell besteht das Gedicht aus sechs Strophen mit jeweils sechs Versen, was eine starke Struktur und einen festen Rhythmus schafft. Der Sprachstil ist offen, ungezwungen und direkt, mit einer gewissen Rauheit und einem humorvollen Unterton. Es gibt weder komplexe Metaphern noch kunstvoll verschachtelte Formulierungen, was zur natürlichen, spröden Ausdrucksweise des lyrischen Ichs beiträgt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gedicht ehrlich und offen die komplexen und manchmal widersprüchlichen Gefühle des lyrischen Ichs gegenüber der jüngeren Frau zum Ausdruck bringt. Es stellt Fragen über Liebe, Begierde und Moral, die noch heute relevant und herausfordernd sind.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Venus Adultera“ ist Richard Dehmel. Im Jahr 1863 wurde Dehmel in Wendisch-Hermsdorf, Mark Brandenburg geboren. Im Jahr 1893 ist das Gedicht entstanden. München ist der Erscheinungsort des Textes. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Moderne zuordnen. Der Schriftsteller Dehmel ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 221 Worte. Der Dichter Richard Dehmel ist auch der Autor für Gedichte wie „An mein Volk“, „Antwort“ und „Auf der Reise“. Zum Autor des Gedichtes „Venus Adultera“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 522 Gedichte vor.
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Zum Autor Richard Dehmel sind auf abi-pur.de 522 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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