Unterm Apfelbaum von Frank Wedekind

Lieschen kletterte flink hinauf
Bis in die höchsten Äste,
Fing in der Schürze die Äpfel auf
Ihrer Mutter zum Feste.
 
Ich lag unten, verliebt und faul,
Auf dem Rücken im Grase;
Mancher Apfel fiel mir ins Maul,
Mancher mir auf die Nase.
 
Jetzt stand Lieschen auf starkem Ast,
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Schelmisch sah sie hernieder;
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Ihres Leibes liebliche Last
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Wiegte sich hin und wieder.
 
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Innig umschlungen hielten sich
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Splitternackt ihre Füße,
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Taten sich auf und befühlten sich –
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Winkten mir tausend Grüße.
 
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Durch das Röckchen sandte der Tag
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Seine goldenen Strahlen,
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Was darunter geborgen lag,
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Farbenprächtig zu malen.
 
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Schimmernd rings um die weiße Haut
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Wob sich gedämpfte Helle;
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Welcher Meister hat je gebaut
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Prächtiger eine Kapelle.
 
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Kindlich faltet’ ich da die Händ’,
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Forderte heiß und brünstig:
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Was kein irdischer Name nennt,
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Werde dem Sünder günstig.
 
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Sieh, und am nämlichen Abend schon,
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Tief in die Kissen gebettet,
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Wurden der kindlichen Bitte zum Lohn
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Leib und Seele gerettet.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.1 KB)

Details zum Gedicht „Unterm Apfelbaum“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
152
Entstehungsjahr
1905
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts ist Frank Wedekind, ein deutscher Dramatiker und Lyriker, der vom 24. Juli 1864 bis zum 9. März 1918 lebte. Daher wäre das Gedicht zeitlich in das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert einzuordnen.

Auf den ersten Blick könnte das lyrische Ich die unschuldige und naive Freude eines ländlichen Szenarios darstellen. Das Erzähltempo ist schnell und der Ton ist fröhlich, was durch Versatzstücke der Volksdichtung erzielt wird.

Der Inhalt des Gedichts konzentriert sich auf eine ländliche Szene, in der ein Mädchen namens Lieschen auf einen Apfelbaum klettert, während der Erzähler (das lyrische Ich) unten liegt und die fallenden Äpfel genießt. Diese einfache Handlung nimmt jedoch eine erotische Wendung, als das lyrische Ich Lieschens nackte Füße beschreibt und eine sexuelle Anspielung in Form einer Kapelle als Symbol für das weibliche Geschlecht macht.

Das Gedicht besteht aus acht vierzeiligen Strophen mit einem festen Reimschema. Der Rhythmus des Gedichts ist fließend und beschwingt, was den fröhlichen Ton des Gedichts unterstreicht. Die Sprache ist klar und unkompliziert, die Beschreibungen sind bildlich und suggestiv. Metaphern und Symbole werden verwendet, um die erotische Begegnung zu veranschaulichen und zu verschönern.

Trotz des offensichtlich fröhlichen und kindlichen Tones des Gedichts könnte das lyrische Ich versuchen, tiefergehende Themen zu vermitteln. Es könnte eine Kritik an der gesellschaftlichen Moral und den Sexualnormen der damaligen Zeit sein, indem es das unschuldige Spiel zweier Jugendlicher auf sexuelle und erotische Weise darstellt. Es könnte auch darauf hindeuten, dass das lyrische Ich eine sexuelle Erweckung erlebt hat, symbolisiert durch die Rettung von „Leib und Seele“ in der letzten Strophe.

Letztendlich ist „Unterm Apfelbaum“ ein herausforderndes Gedicht, das vertraute ländliche Motive verwendet, um komplexere und provokative Themen zu erforschen. Durch die Analyse von Form und Sprache können wir ein tieferes Verständnis für die möglichen Bedeutungen und Absichten des Autors in diesem Gedicht gewinnen.

Weitere Informationen

Frank Wedekind ist der Autor des Gedichtes „Unterm Apfelbaum“. Wedekind wurde im Jahr 1864 in Hannover geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1905 entstanden. Der Erscheinungsort ist München. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. Bei dem Schriftsteller Wedekind handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 152 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Weitere Werke des Dichters Frank Wedekind sind „Altes Lied“, „Am Scheidewege“ und „An Berta Maria, Typus Gräfin Potocka“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Unterm Apfelbaum“ weitere 114 Gedichte vor.

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