Unter Schwarzkünstlern von Christian Morgenstern

Eines Mittags las man:
‚Pfiffe zu mieten gesucht!
Hundertweis, zu jedem Preis!
Victor Emanuel Wasmann!‘
 
Um sechs Uhr kam der erste Pfiff
von einem alten Kohlenschiff.
Um acht Uhr waren’s tausend schon.
Um neun Uhr eine halbe Million.
 
Victor Emanuel Wasmann schlug
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die Türe zu: Nun ist’s genug!
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Hört zu, ihr Pfiffe!
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Ich habe einen Feind (hört! hört!),
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der mir des Nachts die Ruhe stört, –
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auf den sollt ihr marschieren!
 
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Er hat Gelächter angestellt,
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die schickt er nachts mir an mein Bett,
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da hocken sie auf der Decke,
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mit Flügeln weiß und Flügeln rot,
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und krähn und flattern mich zu Tod. –
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Doch alles hat sein Ende.
 
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Die Pfiffe pfiffen wie Ein Mann;
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empfingen ihren Sold sodann.
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(Ein Schusterjungenpfiff sogar
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bot Wasmann sich als Bravo dar.)
 
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Drauf ließ er sie durchs Ofenloch ..
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Doch lange stand er brütend noch,
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schrieb Zeichen, hob die Hand und schwur,
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ein schwarzer Meister der Natur ...
 
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*
 
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Bald nach diesem ging
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Ein Herr Axel Ring
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kurzerhand
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außer Land- –
 
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Wasmann hatte gesiegt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.4 KB)

Details zum Gedicht „Unter Schwarzkünstlern“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
34
Anzahl Wörter
165
Entstehungsjahr
nach 1887
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Der Autor dieses Gedichts ist Christian Morgenstern, ein deutscher Dichter und Schriftsteller, der von 1871 bis 1914 lebte. Dementsprechend kann das Gedicht in die literarische Epoche des Symbolismus und der frühen Moderne eingeteilt werden.

Das Gedicht hinterlässt zunächst einen mysteriösen, etwas surrealen Eindruck. Es erzählt die Geschichte von Victor Emanuel Wasmann, der Pfiffe mietet, um einen Feind zu bekämpfen, der ihm seine Ruhe raubt. Dieser Feind scheint Wasmann in der Nacht mit Lachen zu quälen, so dass Wasmann seine gemieteten Pfiffe auf diesen Feind loslässt. Am Ende der Geschichte hatte Wasmann anscheinend Erfolg, da der Feind, ein Herr Axel Ring, das Land verlassen musste.

Das Gedicht thematisiert Rache und Gerechtigkeit auf einer abstrakten Ebene. Wasmann steht im Zentrum der Handlung und er nimmt scheinbar eine passive, von seinem Feind belästigte Rolle ein, bevor er aktiv wird und seine Rächer-Pfiffe „marschieren“ lässt. Die Methode, wie er seinen Feind bekämpft, ist untypisch und humorvoll dargestellt.

Formal besteht das Gedicht aus neun Strophen mit unterschiedlicher Anzahl von Versen. Ein regelmäßiges Reimschema oder Metrik ist nicht feststellbar, was zu dem chaotischen, absurden Gesamteindruck des Gedichts beiträgt.

Die Sprache des Gedichts ist eher einfach und alltäglich, was eine ironische Distanz zu den seltsamen und übertriebenen Ereignissen schafft. Schlüsselwörter wie „Schwarzkünstlern“ und „schwarzer Meister der Natur“ verweisen auf die magische, rätselhafte Atmosphäre des Gedichts.

Zusammengefasst handelt es sich bei „Unter Schwarzkünstlern“ um ein außergewöhnliches Gedicht, das mit dem Surrealen spielt und somit klassische Themen der Lyrik - wie die Auseinandersetzung mit Feinden und die Sorge um die eigene Ruhe - auf humorvolle Weise behandelt.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Unter Schwarzkünstlern“ ist Christian Morgenstern. 1871 wurde Morgenstern in München geboren. In der Zeit von 1887 bis 1914 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Zürich. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Moderne zuordnen. Der Schriftsteller Morgenstern ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 165 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 34 Versen mit insgesamt 9 Strophen. Christian Morgenstern ist auch der Autor für Gedichte wie „An den Andern“, „An eine Freundin“ und „Anto-logie“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Unter Schwarzkünstlern“ weitere 189 Gedichte vor.

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