Und keins von diesen schönen Mädchen weiß – von Joachim Ringelnatz

Und keins von diesen schönen Mädchen kann
Die Spanne seiner Flügelmacht ermessen.
 
Ein älterer Herr hat neben ihr gesessen,
Sie einmal angeschaut, – ein älterer Mann.
 
Keins dieser jungen Mädchen weiß,
Wie alte, gute Augen auf sie blicken.
Sie hören Pulse, nicht die Uhren ticken.
 
Ein Trainsoldat, ganz jung, – den liebt sie heiß.
 
Wie vieles Wünschen und Verlangen
10 
Wird unerfüllt, unmerklich weggespült.
 
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Alt ist geworden, wer das Leben fühlt. –
 
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Nun ja: der ältere Herr ist dann gegangen.
 
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Und immer neu erlebt und neu bedichtet,
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Ist das wohl recht und richtig eingerichtet?
 
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Der Herr hat höflich, still zum Hut gefaßt.
16 
Der Herr hat den Soldaten nie gehaßt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.6 KB)

Details zum Gedicht „Und keins von diesen schönen Mädchen weiß –“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
105
Entstehungsjahr
1934
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht stammt von Joachim Ringelnatz, einem deutschsprachigem Schriftsteller und Kabarettisten, der von 1883 bis 1934 lebte. Eine genaue zeitliche Einordnung ist schwierig, da Ringelnatz über seinen gesamten Lebenszeitraum hinweg produzierte, jedoch könnte das lyrische Ichs Stellung zum Thema Jugend und Alter auf einen späteren Lebensabschnitt des Autors hindeuten.

Das Gedicht erzeugt zunächst einen melancholischen und nachdenklichen Eindruck. Es scheint die Gefühle und Überlegungen eines älteren Herren zu beschreiben, der das Treiben und die Liebschaften junger Mädchen beobachtet und reflektiert.

Inhaltlich geht es im Gedicht darum, dass die jungen Mädchen die Tiefgründigkeit und Erfahrung, die der ältere Mann mitbringt, nicht erkennen können. Sie sind fasziniert von der jugendlichen Energie eines Soldaten, wohingegen der ältere Herr, trotz seines tieferen Verständnisses für das Leben und die Liebe, unbeachtet bleibt. Das Gedicht thematisiert das unaufhaltsame Altern und das Verschwinden von Begehren und Bedürfnis, dabei bleibt die Frage, ob dies „recht und richtig eingerichtet“ ist, unbeantwortet.

Der Stil des Gedichtes ist geprägt von einfacher und klarer Sprache ohne komplizierte Metaphern oder Wortspiele, was typisch ist für die Werke von Ringelnatz. Die Strophenform und das Versmaß sind in dem Gedicht nicht konstant, sondern variieren, was einen etwas freieren und impulsiveren Ausdruck erzeugt. Es scheint, als ob der Autor direkte persönliche Erfahrungen oder Empfindungen in seiner Poesie verarbeiten möchte und dabei den Fokus auf den Inhalt und die Botschaft, anstatt die Form legt.

Insgesamt interpretiere ich das Gedicht als eine Reflexion über das Altern, Begehren und die Fähigkeit, die Bedeutung von Lebenserfahrung zu erkennen. Es beschreibt die Einsamkeit und das Unverständnis, welches ein älterer Mann in der Gegenwart der Jugend empfindet und hinterfragt dabei gesellschaftliche Normen und Erwartungen. Der Schluss des Gedichtes, in dem der ältere Mann den Soldaten trotz allem nicht hasst, zeigt eine gewissermaßen resignative Akzeptanz von der Realität des Alters und der Vergänglichkeit des Lebens.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Und keins von diesen schönen Mädchen weiß –“ ist Joachim Ringelnatz. 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Im Jahr 1934 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Berlin. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Bei Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 9 Strophen und umfasst dabei 105 Worte. Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „Abglanz“, „Abschied von Renée“ und „Abschiedsworte an Pellka“. Zum Autor des Gedichtes „Und keins von diesen schönen Mädchen weiß –“ haben wir auf abi-pur.de weitere 560 Gedichte veröffentlicht.

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