Und das Letzte von Rainer Maria Rilke

Still heut die Stube. – Weiß wie Kalk
ist Frauchens Antlitz. Müd und lustlos
ihr feuchtes Auge; halb bewußtlos
lehnt sie bei Vaters Katafalk.
 
Zuseiten ihr der Gatte kann
sie trösten mehr in keiner Weise;
nun faßt er ihre Hände leise
und sieht sie ernst und bittend an.
 
»Mein Mütterchen, nimm diesen Strauß!«
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tönt türher hell das Wort des Kleinen;
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da glimmt ein Lächeln durch ihr Weinen,
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und Trost geht durch das alte Haus.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (23.9 KB)

Details zum Gedicht „Und das Letzte“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
12
Anzahl Wörter
73
Entstehungsjahr
nach 1891
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Und das Letzte“ stammt vom österreichischen Lyriker Rainer Maria Rilke, der von 1875 bis 1926 lebte, und daher der Epoche des Symbolismus und der literarischen Moderne zugeordnet wird.

Beim ersten Lesen entsteht ein bedrückender, trauernder Eindruck. Die Strophen erzählen eine Szene des Abschiednehmens und der Trauer. In der ersten Strophe wird der Tod des Vaters thematisiert, vor dessen Sarg die Mutter mit blassem Gesicht und feuchten Augen sitzt. Der Ehemann versucht, sie zu trösten, doch es gelingt ihm nicht wirklich, was in der zweiten Strophe beschrieben wird. In der dritten Strophe erweist sich der unschuldige und unaufgeforderte Trost des gemeinsamen Kindes als das wirkungsvollste Mittel: Durch ein Geschenk eines Blumenstraußes und den liebevollen Ausdruck „Mütterchen“ vermag es, der Mutter ein Lächeln abzuringen, und Trost zieht durch das Haus.

Auf Inhaltsebene möchte das lyrische Ich vermutlich den entscheidenden Einfluss der kindlichen Unschuld und der Liebe in Zeiten der Trauer und des Verlusts zum Ausdruck bringen. Ein interpretativer Ansatz könnte also sein, dass der Autor zeigen will, wie die einfachen und ehrlichen Gesten – wie hier die des Kindes – sich als die wirkungsvollsten erweisen, um Trost zu spenden.

Im Hinblick auf Form und Sprache zeigt das Gedicht grammatische Vollständigkeit und einen durchgängigen Jambus als Grundmetrum. Es folgt einem strengen Reimschema ABAB in vier-zeiligen Strophen. Die Sprache Rilkes kombiniert einfache, klare Ausdrücke (wie „Still heut die Stube“) mit metaphorischen Beschreibungen (wie „Trost geht durch das alte Haus“). Die Intensität und Ernsthaftigkeit der Situation wird durch die ernsten und teils düsteren Wortwahl gesteigert – der Vater wird bei einem „Katafalk“ gesehen, das Antlitz der Mutter ist „weiß wie Kalk“. Doch im Kontrast dazu steht die kindliche Einfachheit und Unschuld, repräsentiert durch den „hell tönenden“ Ausruf des Kindes und seinem Geschenk des Blumenstraußes – eine Symbolik des Lebens und der Hoffnung inmitten der Trauer.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Und das Letzte“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Rainer Maria Rilke. Rilke wurde im Jahr 1875 in Prag geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1891 bis 1926 entstanden. Der Erscheinungsort ist Frankfurt am Main. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Rilke ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 73 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 12 Versen. Die Gedichte „Advent“, „Allerseelen“ und „Als ich die Universität bezog“ sind weitere Werke des Autors Rainer Maria Rilke. Zum Autor des Gedichtes „Und das Letzte“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 338 Gedichte vor.

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