Unberufen von Wilhelm Busch

1	Gestützt auf seine beiden Krücken,
2	Die alte Kiepe auf dem Rücken,
3	Ging durch das Dorf ein Bettelmann
4	Und klopfte stets vergeblich an.
5	Erst aus dem allerletzten Haus
6	Kam eine gute Frau heraus,
7	Die grad den dritten Mann begraben,
8	Daher geneigt zu milden Gaben,
9	Und legt in seines Korbes Grund
10	Ein Brot von mehr als sieben Pfund.
11	Ein schmaler Steg führt gleich danach
12	Ihn über einen Rauschebach.
13	Jetzt hab ich Brot, jetzt bin ich glücklich!
14	So rief er froh, und augenblicklich
15	Fiel durch den Korb, der nicht mehr gut,
16	Sein Brot hinunter in die Flut.
17	Das kommt von solchem Übermut.

Details zum Gedicht „Unberufen“

Gedicht-Analyse

Das vorgestellte Gedicht „Unberufen“ stammt von dem bekannten Autor Wilhelm Busch, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte und schrieb.

Der erste Eindruck des Gedichts spiegelt einen Hauch von Ironie und Gesellschaftskritik wider, was typisch für die Werke von Wilhelm Busch ist. Die Geschichte wird in einfachen, klaren und bildhaften Worten erzählt, die den Leser einladen, sich die Szene lebhaft vorzustellen.

Das Gedicht erzählt die Geschichte eines alten Bettlers, der mit Hilfe von seinen Krücken und einer „Kiepe“ (einem alten Rucksack) durch ein Dorf geht und dabei an vielen Türen vergeblich anklopft. Schließlich erhält er von einer großzügigen Frau, die kürzlich ihren dritten Ehemann begraben hat, ein großes Brot. Glücklich und zufrieden über seine neue „Beute“, setzt er seinen Weg fort und muss einen schmalen Steg überqueren, der über einen Bach führt. Dabei fällt sein gewonnenes Brot in die Flut, weil sein Korb zu alt und defekt ist.

Inhaltlich scheint das lyrische Ich - der Bettler - erst einmal zu betonen, wie schwierig das Leben ist, wenn man auf die Gnade und das Mitleid von anderen angewiesen ist. Dennoch bricht auch eine gewisse Ironie durch, als der Bettler sein Brot bekommt und sich augenblicklich glücklich schätzt, nur um es gleich wieder zu verlieren. Das lyrische Ich könnte hier auch die Moral vermitteln, dass man seine Freude oder sein Glück nicht zu früh feiern sollte, da das Schicksal schnell zuschlagen kann.

Das Gedicht ist in fünf Strophen mit jeweils unterschiedlicher Verszahl (4, 6, 2, 4, 1) unterteilt. Die Sprache von Busch ist einfach und klar, mit einem direkten und unverblümten Ton. Er nutzt erfolgreiche bildhafte Elemente, um ein eindringliches und lebendiges Bild des Bettlers und seines Pechs zu erzeugen. Die letzte Aussage des Bettlers - „Das kommt von solchem Übermut“ - ist besonders witzig und ironisch, da es den Übergang von seinem schnellen Glück zu seinem ebensoschnellen Unglück deftig kommentiert.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Unberufen“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Wilhelm Busch. Busch wurde im Jahr 1832 in Wiedensahl geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1848 und 1908. Erschienen ist der Text in Wiesbaden u. Berlin. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus, Naturalismus oder Moderne zugeordnet werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das 99 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 17 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Wilhelm Busch sind „Bedächtig“, „Befriedigt“ und „Beiderseits“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Unberufen“ weitere 208 Gedichte vor.

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