Uffs Schneiderdokters Taud von Michel Buck

Jessesle, was muaß i haira,
Was, der Moischter, dear sei taut,
Und i könn füar sovel Laihra
Nimma healfa’n in der Naut?
 
O was ischt des Menschaleaba!
Zmôl verfluichts aß wia der Rauh,
Gäucht se oiner mächtig eaba,
Guckt er num, so hôts en au.
 
Z Wocha wead se s wieder jähra,
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Daß er Anno dreißg und neu’
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(Denk i dra’, so muaß i plära)
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Bei üs uff der Stair ischt gsei’.
 
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Uffam Simbsa bi’n i gseassa,
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Hau’ dô Bleatzla zema gnäht,
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Doch mei’ Nähi hôt a bseassa
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Und höllbsinntisch gheit und grät.
 
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„Gang aweagg dô mit deim Trôdel,“
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Sait er zôanig zmôl, und hui
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Steckt er miar sei’ graußi Nôdel
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Beima Zol tuif nei’ ins Knui.
 
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Und der Au’mensch hôt noh pfiffa
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Und ab meini Schmeaza glacht:
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„Hättescht mit de Buaba gschliffa
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Statt dôha’ da Schneider gmacht!“
 
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Doch mei’ Muatar hôt vom Klôsa
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Guatsla brôcht und hôt mi träuscht
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Und am Knui mei’ Waihli blôsa.
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„Schneidergitz! jetz näh i aischt!“
 
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Und a Jährle viari später
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Macht er miar s Studentahäs,
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Und dô sait dear Uebelthäter:
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„Michöl, desmôl geits a wähs.“
 
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Und mei’ Kittel hôt zwe’ Roiha
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Geali Knöpf, verguldte, ghätt,
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Lange Flügel zum Vermoia
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Hinta nous im Luft um d Wett.
 
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D Hosa mit em broita Lada
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Hau’t noh Leadarsteag am Fuaß,
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Gauh’ mer rouf bis über d Wada,
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Daß i seall drob lacha muaß.
 
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„Jetza, Michöl, gang in Tenna,
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Laß di bei de Drescher seah’,
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Jeder wead der, däascht it pflenna,“
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Gwis en nuia Kreuzer gea’.
 
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Und i moi’, i sei schau’ s Hairle,
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Und i gäuch mi wia’n a Pfô,
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Und miar springet, i sags aihrle,
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Aelli kleini Kinder nô.
 
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Und so dourat d Freud a Weile,
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Bis i na ge Bibra komm.
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Voar em Thoar will eusa Gäule,
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S gscheit, glei wieder kaihra’n um.
 
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S Räpple hôt dui Sach verstanda,
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Denn as ischt uff Jôhra gsei’,
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S hôt wohl denkt: „jetz stauh’t mer z Schanda,
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Ai, was fällt em d Studi ei’?“
 
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Richtig, wia’n i mit em wäha
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Häs dur s Städtle laufa thua,
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Hair i schreia, lacha, schmäha:
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„Gucket au dea Bourabua!“
 
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Und se zupfet an meim Kittel
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Und se zupfet an meim Häs
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Vom Gennasi bis zum Spittel –
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O wia hein i dô so räs!
 
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„Schneidergitzle, du bischt schuldig,
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Thuascht mer älli Schanda’n a’!“
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Zletschta wear i nôch geduldig,
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Hair dia Reda rüabig a’.
 
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D Jährla rennet, was se könnet,
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Meine Kittel wearet alt,
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D Hosa breachet, d Nôhta trennet
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Bald von sealber, bald mit Gwalt.
 
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Und nô lange, lange Zeita
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Macht der hetischt Sünder oft
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Endli denischt doch da Gscheita,
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Und it sealta au’verhofft.
 
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So isch mit em Schneider ganga:
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Denket, was dear Schlinkel thuat!
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Nimmt me mit em Doktra gfanga,
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Und i wear am wieder guat,
 
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Thuat me nuje Käu’schta laihra –
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„Diese Studi ischt nu’ Dau’scht.“
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Und i hau’n ems grauß in Aihra,
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Denn se sind vom Dokter Fau’scht,
 
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Laihrt me guati Seaga spreacha
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Und nôch d Schmeaza neamma’n au,
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Laihrt in baisi Finger steacha,
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Kommt Materi, bin i frauh!
 
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Und a Dörrband laihrt er macha
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Füar dia Leut, wo flüssig sind,
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Und vill guati Salba macha,
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Aellas ussam Fundament.
 
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Aber s moi’t a menger, wunder
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Was er für a Käu’schtler sei,
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Nôch, was gschieht? dô füahrt der Donder
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Oim da Taud in d Stuba glei,
 
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Wos bei älli Käu’schta eaba
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Wôlli über d Lacha gôht.
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Jetz, was hoißt des zeitle Streaba,
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Daß ma’ so a Lusi hôt?
 
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Sag is it, daß s Menschaleaba,
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Zmôl verfluicht aß wia a Rauh?
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Gäuch se oiner grad noh eaba,
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Guckt er num, so häbs a’n au!

Details zum Gedicht „Uffs Schneiderdokters Taud“

Autor
Michel Buck
Anzahl Strophen
26
Anzahl Verse
104
Anzahl Wörter
610
Entstehungsjahr
bis 1888
Epoche
Realismus,
Naturalismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Uffs Schneiderdokters Taud“ stammt von Michel Buck, einem deutschen Dichter und freien Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. Buck lebte von 1832 bis 1888, weshalb das Gedicht in der Epoche des Realismus einzuordnen ist.

Die erste Strophe hinterlässt beim Lesen einen bemerkenswerten Eindruck, da die Sprache für das heutige Verständnis zunächst schwer verständlich ist. Dies liegt insbesondere an der dialektischen Form, in der das Gedicht geschrieben ist. Trotz der sprachlichen Barrieren wird bereits in der ersten Strophe deutlich, dass das lyrische Ich eine schwierige Situation erlebt, in der es sich hilflos und überfordert fühlt.

Inhaltlich handelt das Gedicht von der Erfahrung des lyrischen Ichs als Schneiderlehrling und dessen letztlich gescheiterter Versuch, später als „Schneiderdoktor“ zu arbeiten. Es konfrontiert den Leser mit den Höhen und Tiefen seines Lebens, vom Anfang seiner Lehre, den Herausforderungen und Demütigungen, die er erlebt hat, bis hin zur endgültigen Akzeptanz seiner Situation und Rückkehr in seinen ursprünglichen Beruf. Der Autor stellt dabei die Schwierigkeiten und Entbehrungen der Arbeiterschaft dar und betont die Komplexität der Handwerksberufe.

Betrachtet man die Form und Sprache des Gedichts, fällt zunächst auf, dass es aus 26 Strophen besteht, die jeweils vier Verse umfassen. Die sprachliche Gestaltung ist geprägt von einer starken Verbundenheit Bucks mit seiner Heimat, die sich vor allem in der Verwendung des alemannischen Dialekts zeigt. Trotz der dadurch bedingten schweren Verständlichkeit, ermöglicht sie eine Vertiefung in die regionale Kultur und Lebensweise in Süddeutschland im 19. Jahrhundert. Angesichts dieser Formalität und Sprache wird das Gedicht zu einem lebendigen Zeugnis des Alltagslebens, der Arbeitsbedingungen und regionalen Identität in dieser Epoche.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Uffs Schneiderdokters Taud“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Michel Buck. Der Autor Michel Buck wurde 1832 in Ertingen, Oberamt Riedlingen geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1888. Erschienen ist der Text in Stuttgart. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Realismus oder Naturalismus zuordnen. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das Gedicht besteht aus 104 Versen mit insgesamt 26 Strophen und umfasst dabei 610 Worte. Der Dichter Michel Buck ist auch der Autor für Gedichte wie „An der Gmoi’dszuga“, „Auf den Tod meines lieben Söhnleins Hermann“ und „Auf den Tod meines lieben siebenjährigen Töchterchens Hilda Antonia“. Zum Autor des Gedichtes „Uffs Schneiderdokters Taud“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 56 Gedichte vor.

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