Trübsinn von Charles Baudelaire

Mir deucht ich hätte vor mir tausend jahr.
 
Kein schreibtisch überfüllt mit einer schaar
Von versen liedern liebesbriefen akten
Und haaren schwer in rechnungen gepackten
Mehr heimlichkeiten als mein hirn bewacht.
Ein riesenbau ists wo in tiefem schacht
Mehr tote als im massengrabe rollen.
 
Ich bin ein kirchhof dem die sterne grollen
Wo – innre qualen – lange würmer ziehn ·
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Sie raffen meine liebsten toten hin.
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Ich bin ein alt gemach wo rosen schmachten –
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Mit einem wirrwarr von verjährten trachten.
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An offnen fläschchens dufte laben sich
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Ein kläglich bildnis ein verblasster stich ..
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Nichts dehnt sich wie der lahmen tage stocken
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Wenn unter schneeiger jahre schweren flocken
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Der missmut der aus dumpfer müde rinnt
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Die grösse der unsterblichkeit gewinnt.
 
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Nun bist du weiter nichts – o staub mit leben –
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Als ein granit mit schreckenshauch umgeben
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In tiefer wüsten nebeldunst versenkt.
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Vergessner alter sfinx dess niemand denkt ·
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Nirgends vermerkt und dessen wilde laune
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Beim sonnenuntergang sein lied nur raune.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.8 KB)

Details zum Gedicht „Trübsinn“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
154
Entstehungsjahr
nach 1837
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz,
Realismus

Gedicht-Analyse

Das vorgelegte Gedicht ist „Trübsinn“ von Charles Baudelaire, einem französischen Dichter, der eine zentrale Figur im Bereich der literarischen Moderne des 19. Jahrhunderts ist.

Der erste Eindruck des Gedichts vermittelt einen tiefen Melancholie- und Schwermutszustand, der das lyrische Ich durchzieht. Der gesamte Text scheint von einer Dunkelheit und Schwere durchzogen zu sein, die dem Dichter sowohl körperliche als auch geistige Qualen bereitet.

Der Inhalt des Gedichts kann so zusammengefasst werden, dass das lyrische Ich seine Gedanken und Gefühle als stockend und abgestumpft beschreibt. Es fühlt sich älter als es ist und wird von innerer Traurigkeit und Schwermut geplagt. Es fühlt sich wie ein vergessener, alter Sphinx an - unbeachtet und verlassen, gestrandet in der Dunkelheit und nur bei Sonnenuntergang lebt es auf.

Analytisch betrachtet drückt das lyrische Ich seine Unzufriedenheit mit seinem gegenwärtigen Zustand aus und sehnt sich nach einem Zustand der Unsterblichkeit - oder zumindest nach etwas Dauerhaftem, um die Trübsal des gegenwärtigen Moments zu überwinden. Die Verwendung von Bildern wie dem „massengrab“, dem „kirchhof“ und der „vergessner alter sfinx“ verdeutlicht ein Gefühl von Vergessenheit, Tod und Vereinsamung.

Stilistisch gesehen verwendet Baudelaire eine Mischung aus metaphorischen und körperlichen Begriffen, um das innere Leid des lyrischen Ichs darzustellen. Die dunkle, melancholische Stimmung wird durch die Wahrung des Reimschemas und die Abwechslung zwischen kurzen und langen Versen verstärkt, was den Rhythmus des Gedichts bestimmt und den Eindruck von Schwere und Trübsinn fördert. Insgesamt vermischt das Gedicht formale und inhaltliche Aspekte zu einer einfühlsamen Darstellung einer tief verwurzelten Melancholie.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Trübsinn“ des Autors Charles Baudelaire. Im Jahr 1821 wurde Baudelaire in Paris geboren. Im Zeitraum zwischen 1837 und 1867 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Berlin. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz oder Realismus zuordnen. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das vorliegende Gedicht umfasst 154 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 24 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Charles Baudelaire sind „Bertas Augen“, „Besessenheit“ und „Darstellung“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Trübsinn“ weitere 101 Gedichte vor.

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