Reisebriefe eines Artisten von Joachim Ringelnatz

Antwort an einen Kollegen

Ob du Artist, ob du Franz Liszt,
Ein Christ, ein Mist, ein sonst was bist, –
Bezweifle es. Und dir zum Heil
Bezweifle auch das Gegenteil.
 
Was dir die Ideale nimmt,
Der Satz: daß nichts, was zutrifft, trifft,
(Ein Satz, der darum selbst nicht stimmt)
Ist nur für Überlegne Gift.
 
Doch hüte dich, an diesen Satz
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Zu glauben, gar ihn zu betonen.
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Freu dich an Hatz und Schmatz und Spatz.
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An Unzucht oder Kaffeebohnen.
 
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Doch sollte etwas in dir wohnen,
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Bewirkend, daß du mich verstehst
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Und lachst und dankbar weitergehst
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Und dennoch etwas Beßres weißt,
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Dann glaub’ ich, daß du richtig reist.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.4 KB)

Details zum Gedicht „Reisebriefe eines Artisten“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
17
Anzahl Wörter
101
Entstehungsjahr
1925
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Reisebriefe eines Artisten“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst, einem deutschen Schriftsteller und Kabarettist, der von 1883 bis 1934 lebte. Eine genaue zeitliche Einordnung ist schwierig, da der genaue Veröffentlichungszeitpunkt des Gedichts nicht angegeben ist. Ringelnatz' Karriere erstreckte sich jedoch hauptsächlich über die 1920er und 1930er Jahre, in einer Zeit großer gesellschaftlicher und politischer Veränderungen in Deutschland und Europa.

Auf den ersten Eindruck könnte das Gedicht als eine Art lebensphilosophische Reflexion interpretiert werden, in der das lyrische Ich den Leser ermutigt, seine Identität, seine Überzeugungen und seine Erfahrungen in Frage zu stellen.

Inhaltlich ermutigt das lyrische Ich den Leser, seine Identität und seine festgehaltenen Ideale oder Überzeugungen zu hinterfragen (Strophe 1 und 2). Es warnt davor, zu stark in Idealen festzuhalten oder zu glauben, dass die Realität einer einzigen, unveränderlichen Wahrheit entspricht (Strophe 2 und 3). Es legt nahe, einfachen Freuden im Leben wie „Hatz und Schmatz und Spatz“ oder „Kaffeebohnen“ zu schätzen (Strophe 3). Schließlich deutet es an, dass, wenn der Leser lacht, dankbar weitergeht, es aber trotzdem noch eine tiefere Erkenntnis gibt („etwas Beßres“), er „richtig reist“, also eine konstruktive, aufgeschlossene Haltung zum Leben entwickelt hat (Strophe 4).

Formal ist das Gedicht in vier Strophen mit jeweils vier oder fünf Versen unterteilt. Es gibt kein festes Reimschema, aber die Verwendung von Paarreimen und Kreuzreimen durch das Gedicht hindurch verleiht ihm musikalische Qualität und Rhythmus.

Die Sprache ist direkter und umgangssprachlicher als in vielen traditionellen Gedichtformen, was zum humorvollen und unbeschwerten Ton des Gedichts beiträgt. Gleichzeitig gibt es aber auch viele Wortspiele und sprachliche Wendungen, die zum Nachdenken anregen und die Botschaft des Gedichts vertiefen. So werden etwa humorvolle und absurde Identitäten wie „ein Christ, ein Mist, ein sonst was“ aufgeführt, oder es wird mit der paradoxen Idee eines Satzes gespielt, der „darum selbst nicht stimmt“, weil er behauptet, dass „nichts, was zutrifft, trifft“. Insgesamt schafft Ringelnatz so eine humorvolle und dennoch tiefgründige Reflexion über Identität, Lebensphilosophie und das Reisen im übertragenen Sinn.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Reisebriefe eines Artisten“ ist Joachim Ringelnatz. Im Jahr 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Im Jahr 1925 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist München. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Moderne oder Expressionismus zu. Bei dem Schriftsteller Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 17 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 101 Worte. Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „Abschied von Renée“, „Abschiedsworte an Pellka“ und „Afrikanisches Duell“. Zum Autor des Gedichtes „Reisebriefe eines Artisten“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.

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