Traum von Karl Kraus
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Stunden gibt es, wo |
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mich der eigne Schritt |
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übereilt und nimmt |
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meine Seele mit. |
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Könnt’ ich halten sie, |
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würd’ ich selig sein. |
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Ach, zuweilen glänzt |
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in den Tag der Schein. |
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Weiß dann, wie es war, |
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seh’ ein lichtes Land, |
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eh’ ich in die Zeit |
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wurde umgewandt. |
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Staunend stand ich da |
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und ein Bergbach rinnt |
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und das ganze Tal |
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war mir wohlgesinnt. |
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Und der Wind befiehlt, |
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damit leichtbeschwingt |
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alles in der Luft |
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heute mir gelingt. |
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Habe jedes Glück |
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schon im Flug ereilt. |
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Alles ist Geschlecht, |
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wir sind ungeteilt. |
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Alles, er und sie |
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und ein jeglich Ding |
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mir in dieser Nacht |
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an die Sinne ging. |
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Wie sie vollends mich, |
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wie sie sich vergaß, |
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und mein Todfeind ach |
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ihr zur Seite saß — |
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unvergeßlich Bild |
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unverlorner Spur |
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von der Übermacht |
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schwacher Weibnatur! |
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Elfenbeine sinds: |
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sagt ins Ohr der Traum, |
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und die ganze Welt |
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ist ein Zwischenraum. |
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Sie verduftet mir |
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durch die Sphären hin, |
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immer ist es so, |
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wie wenn Pappeln blühn. |
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Wie dein Stern zerbrach, |
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weiß nicht, wie’s geschah. |
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Deiner Erde doch |
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bleib’ ich ewig nah. |
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Immer heißer wird’s |
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mir auf dieser Bahn, |
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viele Pforten sind |
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schon mir aufgetan. |
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Eh mir noch verläuft |
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dieser Lebenslauf, |
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ruf’ ich was es gab |
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mir zum Zeugen auf. |
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Alles wird Gesicht, |
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jedes Ding ein Mund. |
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Welche bunte Welt! |
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Plötzlich spricht ein Hund. |
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Grundlos leben wir, |
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reichen bis zum Mond. |
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Einer zeigt mein Grab, |
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das noch unbewohnt. |
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Einer führt ein Buch |
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und trägt Sünden ein — |
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alle retten sich, |
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alle trinken Wein. |
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Eine Glocke schrillt, |
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daß die Decke birst. |
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Wenn du heute nur |
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nicht gerufen wirst! |
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Schon betäubt der Tag |
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das verlorne Ohr; |
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noch umfängt den Blick |
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jener grüne Flor. |
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Wär’ mein Tag vorbei! |
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Wieder umgewandt |
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kehrt’ ich aus der Zeit |
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in das lichte Land! |
Details zum Gedicht „Traum“
Karl Kraus
20
80
287
1920
Moderne,
Expressionismus,
Avantgarde / Dadaismus
Gedicht-Analyse
Das behandelte Gedicht ist „Traum“ von Karl Kraus, einem österreichischen Schriftsteller und Lyriker, der von 1874 bis 1936 lebte. Das Gedicht ist typisch für seine Epoche, die sich durch eine innerliche Verschlossenheit und eine poetische Sprache auszeichnet, die in der frühen modernen Lyrik, um die Jahrhundertwende und in der Zeit des Expressionismus, häufig anzutreffen ist.
Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht sehr introspektiv und reflektierend und scheint sowohl zeitliche als auch räumliche Dimensionen zu durchschreiten und zu überwinden.
Das lyrische Ich scheint über seine eigenen Erfahrungen und Gefühle zu reflektieren und gibt Stück für Stück Einblick in seine innersten Gedanken und Empfindungen. Es beschreibt Situationen, in denen es sich selbst zu überholen scheint, Momente der inneren Glückseligkeit beobachtet und dann wieder Einblicke in angstvolle und unsichere Momente gibt. Es spricht von der Vergangenheit und dem „lichten Land“, das es vor seiner Zeitreise gesehen hat, und von der Hoffnung, wieder dorthin zurückzukehren.
Die einzelnen Strophen sind durchgängig in vierzeilige Versblöcke unterteilt, was ein geordnetes und übersichtliches Erscheinungsbild des Gedichts erzeugt. Die Sprache ist malerisch und bildhaft, aber auch durchsetzt von einer Melancholie, die die Leserinnen und Lesern tief mit dem lyrischen Ich verbindet.
Inhaltlich beschreibt das lyrische Ich verschiedene Aspekte seines Daseins, einschließlich Erfahrungen mit Glück und Verlust, Erinnerungen und Träume, die persönliche Identität und das Streben nach einem erfüllten Leben.
Die lyrische Sprache ist sehr ausdrucksstark und lebhaft, und das Gedicht ist reich an bildlicher Sprache und Symbolik. Die wiederkehrenden Motive des Traums, der Sehnsucht und der Flucht in eine andere Welt, tragen zu einem Gefühl der Unruhe und zugleich der Hoffnung bei, das den Leser durch das gesamte Gedicht hindurch begleitet.
Das Gedicht ist ein gutes Beispiel für die introspektive und gedankenvolle Poesie von Karl Kraus. Seine Lyrik zeichnet sich durch ihre introspektive Natur aus und reflektiert häufig seine eigenen Erfahrungen und Gefühle. In diesem besonderen Gedicht kommt diese Tendenz stark zum Ausdruck, mit einer fesselnden Darstellung des Innenlebens des lyrischen Ichs.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Traum“ des Autors Karl Kraus. Der Autor Karl Kraus wurde 1874 in Jičín (WP), Böhmen geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1920 zurück. Erscheinungsort des Textes ist München. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das 287 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 80 Versen mit insgesamt 20 Strophen. Karl Kraus ist auch der Autor für Gedichte wie „Alle Vögel sind schon da“, „Als Bobby starb“ und „An den Schnittlauch“. Zum Autor des Gedichtes „Traum“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 61 Gedichte vor.
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Zum Autor Karl Kraus sind auf abi-pur.de 61 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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