Antwort an einen Gelangweilten von Joachim Ringelnatz
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Du mußt in Langerweile |
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Es einmal ausprobiern, |
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Mit einer Nagelfeile |
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Dich zu rasiern. |
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Du sollst an dem Schicksal nicht mäkeln, |
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Sollst nichts Lebendiges quäln. |
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Aber Hosenspitzen magst du häkeln |
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Und halblaut bis zweitausend zählen. |
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Und wenn nach tausendfünfhundert, |
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Sofern du alles recht präpariert |
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Hast, plötzlich dein Ofen laut explodiert, |
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Dann zeige dich maßlos verwundert. |
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Und eilt dann irgend jemand herbei |
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Aus Neugier und um was zu retten, |
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Dann frage: was soll denn das dumme Geschrei? |
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Und schlage ihm ruhig das Hirndach entzwei |
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Und stopfe ihn still in die Betten. |
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Entfliehn und leugnen und irretun |
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Vermeide, denn das erschöpft sich. |
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Vertiefe dich in den Begriff Immun, |
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Doch sei überzeugt, man köpft dich. |
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In England leidet man am Strick. |
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In Deutschland unterm Beile |
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Ganz sicher keinen Augenblick |
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An Langeweile. |
Details zum Gedicht „Antwort an einen Gelangweilten“
Joachim Ringelnatz
6
25
127
1928
Moderne,
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Antwort an einen Gelangweilten“ wurde vom deutschen Schriftsteller und Kabarettist Joachim Ringelnatz verfasst, der von 1883 bis 1934 lebte. Somit liegt die zeitliche Einordnung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Beim ersten Eindruck handelt es sich um ein humorvolles und gleichzeitig absurd-makabres Gedicht, das unkonventionelle und drastische Vorschläge zur Überwindung der Langeweile liefert. Das lyrische Ich richtet sich an eine Person, die unter Langeweile leidet und gibt dieser ironische und kontrastierende Ratschläge, darunter gewalttätige und triviale Aktionen, wie das Rasieren mit einer Nagelfeile oder das Zählen bis zweitausend.
Inhaltlich setzt sich Paradoxien an die Stelle von Logik und vernünftigem Denken. In einer humorvoll makabren Weise wird die Vereinbarkeit von Langeweile und Gewalt dargestellt. Der Höhepunkt der Übertreibung ist der Vorschlag, eine neugierige Person zu töten und im Bett zu verstecken. Auffallend ist das Ende, in dem das lyrische Ich auf die Aussicht einer Hinrichtung hinweist, um Langeweile zu bekämpfen.
Formal präsentiert sich das Gedicht über sechs Strophen mit je vier bzw. fünf Versen. Die Verse sind ungefähr gleich lang und folgen keinem Reimschema. Die Sprache im Gedicht ist sehr bildhaft, die Wortwahl ist einfach und klar, gleichzeitig jedoch voll mit Ironie und schwarzem Humor. Es gibt keine Emotionen oder Beschreibungen von Gefühlen, das Hauptthema Langeweile wird durch extreme und absurde Aktionen und Vorschläge behandelt.
Insgesamt hinterfragt „Antwort an einen Gelangweilten“ auf zynische Weise das Thema Langeweile und liefert eine satirische Darstellung der Gesellschaft, indem sie kritisiert, dass wir scheinbar bereit sind, extreme Maßnahmen zu ergreifen, um unserer Langeweile zu entkommen. Dabei durchbricht Ringelnatz soziale Normen und etablierte Verhaltensweisen, indem er zeigt, zu welchen absurden Handlungen Langeweile führen kann.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Antwort an einen Gelangweilten“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joachim Ringelnatz. Geboren wurde Ringelnatz im Jahr 1883 in Wurzen. Im Jahr 1928 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Berlin. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Moderne oder Expressionismus zu. Bei Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 25 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 127 Worte. Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „Abglanz“, „Abschied von Renée“ und „Abschiedsworte an Pellka“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Antwort an einen Gelangweilten“ weitere 560 Gedichte vor.
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Zum Autor Joachim Ringelnatz sind auf abi-pur.de 560 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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