Antwort an Herrn Karl Hadermann von Susanne von Bandemer

Freund! vergebens ist der Menschheit Flehen
Bey dem Sturme, der uns niederbeugt.
Noch läßt sich kein Elphenkönig sehen,
Der mir Trost in schönen Träumen zeigt;
 
Der mit seines Lilienstengels Wehen,
Mit des Bechers süßem Labetrank,
Und mit seines Hornes Zauberdrehen
Meine Leiden zu entfliehen zwang.
 
Aber das, was mir allein geblieben,
10 
Ist dies Herz, den Musen ewig treu;
11 
Das selbst seinen bittern Feind zu lieben
12 
Willig ist, von aller Rachsucht frey.
13 
Das in meines Glückes Morgenröthe
14 
Reine Wonne nur im Geben fand,
15 
Und für sich Genügsamkeit erflehte
16 
Aus der Vorsicht väterlichen Hand.
 
17 
Aber, wenn im dumpfen Schmerzgefühle
18 
Dieser Blick voll Wehmuth um sich sieht,
19 
Sieht, wie hier im prunkenden Gewühle
20 
Mir allein kein Freudenröschen blüht:
21 
Wie hier Komus, Faunen und Satyren
22 
Mit dem Bacchus und dem Gott der Lust
23 
Lieblinge in Plutus Tempel führen –
24 
Dann erbebt dies Herz in meiner Brust.
 
25 
Und ich mögte mit dem Himmel rechten,
26 
(Ach, mit einem ohnmachtsvollen Zorn!)
27 
Der den Armen, nach durchweinten Nächten,
28 
Nichts gewährt aus Amaltheens Horn.
29 
Der den Tasso, bis zum letzten Tage
30 
Seines Lebens, freundlos darben ließ,
31 
Und ihn erst das Ende seiner Plage
32 
Mit des Herzens letztem Pulsschlag wieß.
 
33 
Und du, Buttler, der bey reichen Britten –
34 
Wie zu Pisa Ugolino – starb;
35 
Sind das deines Landes edle Sitten,
36 
Das den Ruhm der Großmuth sich erwarb.
37 
Statt des Brodtes, das man dir versagte,
38 
Gab man deinem schlummernden Gebein,
39 
Mann der Leiden, den kein Glücksstern tagte,
40 
Einen königlichen Marmorstein.
 
41 
Und dein guter Rousseau – der Verkannte –
42 
Der, getreu der Wahrheit und Natur,
43 
Für das Wohl gedrückter Menschheit brannte,
44 
Für die Einfalt seiner stillen Flur.
45 
Schuf in Idealen, froh zu leben,
46 
Unter Pappeln eine neue Welt,
47 
Wo nach edlem, unermüd’tem Streben
48 
Julien der Tugend Glanz umhellt. –
 
49 
Aber wenn die Sterblichen verzagen,
50 
Und im Unglück halb vernichtet sind,
51 
Wird der Dichter hoch empor getragen,
52 
Wo die Quelle Aganippens rinnt.
53 
Dort greift er in seine goldne Leyer,
54 
Spielt und singet seiner Leiden Schmerz,
55 
Und, durchglüht von Phöbus heil’gem Feuer,
56 
Singt er sich Elysium ins Herz.
 
57 
Ha, auch mich erhebt auf Adlersschwingen
58 
Kühn mein Genius zum Musenthron;
 
59 
Und ein Gott giebt Töne mir zu singen,
60 
Die den Sturm, wie Himmelsmacht, bedrohn.
61 
Hör’ ich nicht der Sphären Harmonien?
62 
Dich, ο Freund, der in dem süßen Drang,
63 
Sanft umschwebt von holden Phantasien,
64 
Ruhe mir in meine Seele sang? –
 
65 
Ja, ich fühle unsrer Gottheit Feuer
66 
Und der Freundschaft himmlische Magie;
67 
Freund, bey dieser lesbisch-süßen Leyer
68 
Wird der Schrey des Schmerzes Melodie.
69 
Und, gestählt durch ihre Zaubersaiten,
70 
Wallen wir getrost die Dornenbahn,
71 
Wo die Musen unsre Schritte leiten
72 
Bis zu Charons sorgenfreyen Kahn.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (30.2 KB)

Details zum Gedicht „Antwort an Herrn Karl Hadermann“

Anzahl Strophen
11
Anzahl Verse
72
Anzahl Wörter
423
Entstehungsjahr
1802
Epoche
Klassik,
Romantik

Gedicht-Analyse

Das hier vorgelegte Gedicht stammt von der Dichterin Susanne von Bandemer (1751-1828) und befindet sich zeitlich in der Periode der Aufklärung und schon in Anklängen der Romantik. Eine genaue Datierung des Gedichts lässt sich aus dem gegebenen Text leider nicht ableiten.

Auf den ersten Blick scheint das Gedicht die Thematik des Leidens anzusprechen, vor allem das seelische, individuelle Leid des Dichters. Doch es wird auch auf die Rolle und die Kraft der Poesie eingegangen und auf die erlösende Wirkung der Kunst inmitten des Leidens. Es ist ein Appell an den Adressaten, Herrn Karl Hadermann, offenbar ein Freund oder Vertrauter der Autorin.

Inhaltlich richtet sich das lyrische Ich mit einer Art verzweifeltem Ausdruck an seinen Freund, beklagt sich über das Leiden der Menschheit und speziell das eigene. Es gibt zu verstehen, dass seine Hoffnungen durch bittere Erfahrungen enttäuscht wurden und es sich von den Träumen und Wundern der Welt verlassen fühlt. Jedoch findet es Trost und Zuflucht in der Poesie und Musik. Das lyrische Ich identifiziert sich mit den Leiden von historischen Persönlichkeiten wie Tasso, Buttler und Rousseau, doch sieht es in der Kunst, speziell der Poesie, einen Weg, das eigene Leid zu thematisieren und dadurch zu überwinden.

Das Gedicht weist eine klare formale Struktur auf mit lediglich zwei Ausnahmen (Strophe 9 und 10), wo die Verse reduziert sind. Jede Strophe hat einen klar definierten Inhalt und Botschaft, sodass das lyrische Ich seine Gedanken und Gefühle in einer geordneten und sinnvollen Progression darstellt. Die Sprache des Gedichts ist recht geschliffen und erhaben, geprägt von Metaphern und Anspielungen, was unterstreicht, dass sich das lyrische Ich in der Welt der Poesie und Kultur bewegt und sie als seinen Lebensbereich betrachtet.

Insgesamt kann man also sagen, dass das Gedicht Antwort an Herrn Karl Hadermann von Susanne von Bandemer den persönlichen Konflikt und die geistige Auseinandersetzung des lyrischen Ichs mit seiner Umwelt und Situation aufgreift und dabei die Fähigkeit und Notwendigkeit der Poesie hervorhebt, das Leid zu verarbeiten und einen Weg zur Versöhnung und Hoffnung zu weisen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Antwort an Herrn Karl Hadermann“ stammt aus der Feder der Autorin bzw. Lyrikerin Susanne von Bandemer. 1751 wurde Bandemer in Berlin geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1802 zurück. In Berlin ist der Text erschienen. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her den Epochen Klassik oder Romantik zuordnen. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das 423 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 72 Versen mit insgesamt 11 Strophen. Die Gedichte „An * * * bey der Übersendung einer Haarlocke“, „An Elise Reichsgräfin zu S * * * L * * *“ und „An Elisen“ sind weitere Werke der Autorin Susanne von Bandemer. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Antwort an Herrn Karl Hadermann“ weitere 86 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Weitere Gedichte des Autors Susanne von Bandemer (Infos zum Autor)

Zum Autor Susanne von Bandemer sind auf abi-pur.de 86 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.