Tafellied von Carl Streckfuß

zu Goethe’s Geburtstage, den 28. August 1826.

Ist die Zeit auch leicht und flüchtig,
Mag sie kommen, mag sie gehn,
Wird doch das, was echt und tüchtig,
In der flüchtigen bestehn.
Sey’s ein Werk in Erz gegründet,
Sey’s ein Hauch, ein leichter Schall;
Immer blitzt es, trifft und zündet,
Wirkt in langem Wiederhall.
 
So dem Tüchtigsten von Allen
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Soll heut tüchtig, frei und kühn,
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Unser frohes Lied erschallen,
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Unser frohes Herz erglühn.
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Freie Stimmen, reine Kehlen,
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Tön’ aus tiefer, heitrer Brust,
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Muntre Geister, wackre Seelen,
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Zeigt euch in des Festes Lust.
 
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Du, Veredler edler Wonnen,
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Geist, vom Weltengeist erzeugt,
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Von der tüchtigsten der Sonnen
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Du geboren und gesäugt;
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Leih’ uns deine goldnen Wellen,
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Wein vom tücht’gen deutschen Rhein,
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Höher unsre Brust zu schwellen,
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Schöner unser Fest zu weihn
 
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Ström’ ins Haupt uns lichte Klarheit,
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Ström’ ins Herz uns lichte Gluth;
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Bring’ uns Dichtung in die Wahrheit,
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Mach’ uns mild bei kühnem Muth.
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Dann wird uns der Geist entschleiert,
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Dessen Macht uns hier geschaart;
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Dann wird unser Fest gefeiert,
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Tüchtig, echt nach Seiner Art.
 
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Sey die Zeit auch leicht und flüchtig,
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Wird doch das, was wir begehn,
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Ist die Feier echt und tüchtig,
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In der flüchtigen bestehn,
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Giebt von sich noch lange Kunde,
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Kund’ in Sinn und That und Wort,
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Denn die echte gute Stunde
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Wirkt in ew’gem Wohllaut fort.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.5 KB)

Details zum Gedicht „Tafellied“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
216
Entstehungsjahr
1826
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Tafellied“ stammt von dem Dichter Carl Streckfuß, der von 1778 bis 1844 lebte, also im Zeitalter der Romantik. Auf den ersten Blick ist das Gedicht feierlich und lebhaft, wie der Name „Tafellied“ schon andeutet, es könnte z. B. bei einem festlichen Anlass vorgetragen worden sein.

Das Gedicht ist ein Lob auf das Beständige und Echte in einer flüchtigen und vergänglichen Welt. Das lyrische Ich stellt heraus, dass das, was solide und stark ist, trotz aller Vergänglichkeit Bestand hat und weiterwirkt. Es ist dabei unerheblich ob dies ein greifbares Werk oder immaterielle Dinge wie ein Gedanke sind, sie haben beide Bestand. In der zweiten Strophe ist dies vor allem in Form von aufrichtigen Liedern und Gefühlen zu finden, die aus den Herzen der Anwesenden emporsteigen.

Im dritten und vierten Abschnitt wird eine Art Anrufung oder Bitte an den „Geist“ formuliert - möglicherweise eine Metapher für Inspiration oder Kreativität - der dazu beiträgt, dass das Fest gelingt und es in Erinnerung bleibt. Die Rolle des Weines als „Veredler edler Wonnen“ und als Inspirationsquelle wird betont. Schließlich wird in der letzten Strophe betont, dass trotz der Flüchtigkeit der Zeit, die echte und solide Feier Bestand haben und für immer im Gedächtnis bleiben wird.

In Bezug auf Form und Sprache nutzt Streckfuß traditionelle Reime und Metrik. Das Gedicht besteht aus fünf Oktetten, das heißt achtzeilige Strophen, und verwendet einen durchgehenden Kreuzreim schematisch dargestellt als „ababcdcd“. Die Sprache ist ebenso festlich gehalten, jedoch nicht zu kompliziert oder verschachtelt, was den gesellig-festlichen Charakter des Gedichts unterstreicht. Die Wortwahl, wie z.B. „tüchtig“, „edel“ oder „freie Stimmen“, „reine Kehlen“, „muntre Geister“, „wackre Seelen“ spiegelt eine Hochachtung und Wertschätzung der Tugenden wie Ehrlichkeit, Mut, Edelmut und Fröhlichkeit wider.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Tafellied“ des Autors Carl Streckfuß. 1778 wurde Streckfuß in Gera geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1826 zurück. Erschienen ist der Text in Halle. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 216 Worte. Der Dichter Carl Streckfuß ist auch der Autor für Gedichte wie „An die Kronprinzessin von Preußen“, „Auf der Reise“ und „Beruf“. Zum Autor des Gedichtes „Tafellied“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 50 Gedichte vor.

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