Säcksche Festspiele von Kurt Tucholsky

In jeder Stadt streicht ein Nabolium sich die schwarze Locke
aus seiner Stirn –
jedweder Bürger prangt in prallem Waffenrocke
und einem blanken Pappmaché-Theaterhirn.
 
Zweihundert Pferde machen Staub und andre Sachen –
ein Böller kracht …
Handlungsgehilfen, Handwerksmeister wachen
lang hingestreckt, auf Posten, in der Sommernacht.
 
Ein Orden winkt; laut klopfen aller Herzen –
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bengalisch Feuer flammt …
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Ein Sängerchor greift tief erregt in falsche Terzen,
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Nabolium schwitzt, und Yorckn rutscht die Hose - au verdammt!
 
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Die Brücke fliegt! Gehulter und Gepulter …
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Ein lebend Bild – wer hätte das gedacht!
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Und nachher kloppt der Zar dem Friedrich Wilhelm auf die Schulter:
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„Das hammer ganz fermost gemacht!“
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.4 KB)

Details zum Gedicht „Säcksche Festspiele“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
100
Entstehungsjahr
1919
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Säcksche Festspiele“ stammt von Kurt Tucholsky, einem bedeutenden satirischen Schriftsteller und Journalisten der Weimarer Republik. Tucholsky wurde 1890 geboren und starb 1935. Eine genaue zeitliche Einordnung ist daher schwierig, vermutlich entstand das Gedicht aber in den 1920er oder frühen 1930er Jahren.

Bei der ersten Lektüre fällt sofort Tucholskys ironischer und sarkastischer Stil auf. Der Autor setzt sprachliche Mittel ein, um sein Unverständnis und seine Abscheu für bestimmte gesellschaftliche Normen und Rituale zum Ausdruck zu bringen.

Das Gedicht handelt von einer städtischen Veranstaltung, die als nostalgisches und patriotisches Spektakel inszeniert wird. Die Menschen, „in prallem Waffenrock“ und mit „blankem Pappmaché-Theaterhirn“, nehmen an einer Art historischer Parade oder Festspiel teil. Es scheint, als ob Tucholsky diese Veranstaltung und insbesondere die teilnehmenden Bürger satirisch und spottend darstellt: Sie werden als oberflächlich, naiv und leicht beeinflussbar dargestellt.

Die Form und Sprache des Gedichts spielen eine wichtige Rolle für Tucholskys satirische Aussage. Die Strophen folgen keinem klassischen Reim- oder Rhythmusschema, was den aufrührerischen Charakter des Gedichts unterstreicht. Der Autor verwendet humorvolle und provokante Ausdrücke („schwarze Locke“, „prallem Waffenrock“, „blankes Pappmaché-Theaterhirn“), um die Darsteller der Festspiele lächerlich zu machen. Der Gebrauch verschiedener Dialekte und Umgangssprachen dient ebenfalls diesem Zweck.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Kurt Tucholsky in „Säcksche Festspiele“ mit bissigem Humor und Satire eine Art von inszeniertem Patriotismus und historischer Nostalgie kritisiert, die er als oberflächlich und manipulativ empfindet. Sein Gedicht zeigt auf unterhaltsame Weise, wie die Bürger durch solche Veranstaltungen in die Irre geführt und von wichtigen gesellschaftlichen Themen abgelenkt werden können.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Säcksche Festspiele“ ist Kurt Tucholsky. Geboren wurde Tucholsky im Jahr 1890 in Berlin. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1919 zurück. Erscheinungsort des Textes ist Charlottenburg. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Tucholsky ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Die wichtigsten geschichtlichen Einflüsse auf die Literatur der Weimarer Republik waren der Erste Weltkrieg, der von 1914 bis 1918 andauerte, und die daraufhin folgende Entstehung und der Fall der Weimarer Republik. Das bedeutendste Merkmal der Literatur in der Weimarer Republik ist die Neue Sachlichkeit, die so heißt, da sie schlicht, klar, sachlich und hoch politisch ist. Die Literatur dieser Zeit war nüchtern und realistisch. Ebenso stellt sie die moderne Gesellschaft kühl distanziert, beobachtend, dokumentarisch und exakt dar. Die Autoren der Literaturepoche wollten so viele Menschen wie möglich mit ihren Texten erreichen, deshalb wurde eine einfache und nüchterne Alltagssprache verwendet. Viele Schriftsteller litten unter der Zensur in der Weimarer Republik. Im Jahr 1922 wurde nach einem Attentat auf den Reichsaußenminister das Republikschutzgesetz erlassen, das die zunächst verfassungsmäßig garantierte Freiheit von Wort und Schrift in der Weimarer Republik deutlich einschränkte. Dieses Gesetz wurde in der Praxis nur gegen linke Autoren angewandt, nicht aber gegen rechte, die teils in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Das 1926 erlassene Schund- und Schmutzgesetz verstärkte die Grenzen der Zensur nochmals. Später als die Pressenotverordnung im Jahr 1931 in Kraft trat, war sogar die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen über mehrere Monate möglich.

Als Exilliteratur wird die Literatur von Schriftstellern bezeichnet, die unfreiwillig Zuflucht in der Fremde suchen müssen, weil ihre Person oder ihr Werk im Heimatland bedroht sind. Für die Flucht ins Exil geben meist politische oder religiöse Gründe den Ausschlag. Die deutsche Exilliteratur entstand in den Jahren von 1933 bis 1945 als Literatur der Gegner des Nationalsozialismus. Dabei spielten zum Beispiel die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 und der deutsche Überfall auf die Nachbarstaaten Deutschlands 1938/39 eine ausschlaggebende Rolle. Die deutsche Exilliteratur schließt an die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik an und bildet damit eine eigene Literaturepoche in der deutschen Literaturgeschichte. Die Exilliteratur lässt sich insbesondere an den typischen Themenschwerpunkten wie Sehnsucht nach der Heimat, Widerstand gegen Nazi-Deutschland oder Aufklärung über den Nationalsozialismus erkennen. Bestimmte formale Gestaltungsmittel wie zum Beispiel Metrum, Reimschema oder der Gebrauch bestimmter rhetorischer Mittel lassen sich in der Exilliteratur nicht finden. Allerdings gab es einige neue Gattungen, die in dieser Literaturepoche geboren wurden. Das epische Theater von Bertolt Brecht oder auch die historischen Romane waren neue literarische Textsorten. Aber auch Flugblätter und Radioreden der Widerstandsbewegung sind hierbei als neue Textsorten erwähnenswert. Oftmals wurden die Texte auch getarnt, so dass sie trotz Zensur nach Deutschland gebracht werden konnten. Dies waren dann die sogenannten Tarnschriften.

Das vorliegende Gedicht umfasst 100 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 16 Versen. Die Gedichte „’s ist Krieg!“, „Abschied von der Junggesellenzeit“ und „Achtundvierzig“ sind weitere Werke des Autors Kurt Tucholsky. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Säcksche Festspiele“ weitere 136 Gedichte vor.

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