Superavit von Rainer Maria Rilke

Nie kann ganz die Spur verlaufen
einer starken Tat; dies lehrt
zu Konstanz der Scheiterhaufen;
denn aus tausend Feuertaufen
steigt der Hochgeist unversehrt.
 
Bis zu uns her ungeheuer
ragt der Reformator Hus,
fürchten wir der Lehre Feuer,
neigen wir uns doch in scheuer
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Ehrfurcht vor dem Genius.
 
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Der, den das Gericht verdammte,
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war im Herzen, tief und rein,
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überzeugt von seinem Amte, –
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und der hohe Holzstoß flammte
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seines Ruhmes Strahlenschein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24 KB)

Details zum Gedicht „Superavit“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
15
Anzahl Wörter
70
Entstehungsjahr
nach 1891
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorgestellte Gedicht „Superavit“ ist ein Werk des österreichischen Dichters Rainer Maria Rilke, der zwischen 1875 und 1926 lebte. Die Epoche, in der Rilke seine Gedichte schrieb, kann der literarischen Strömung des späten Symbolismus und der beginnenden Moderne zugeordnet werden.

Bereits beim ersten Lesen drängt sich der Eindruck eines historischen Ereignisses auf, eingebettet in eine hochsymbolische und emotional aufgeladene Stimmung. Rilke thematisiert grobe Ungerechtigkeit und fast schon groteskes Leid – gleichzeitig jedoch auch den Triumph der immateriellen, geistigen Welt über unerbittliche physische Gewalt.

Das Gedicht behandelt die Geschichte des Reformators Jan Hus, der wegen seiner theologischen Überzeugungen verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Obwohl Hus physisch vernichtet wurde – eine „starke Tat“, deren Spuren nicht verlaufen können – überlebte seine Lehre, sein Geist, wie es im Gedicht ausdrückt, „unversehrt“. Das lyrische Ich stellt fest, dass trotz der Angst vor seinen revolutionären Ideen - „fürchten wir der Lehre Feuer“ - Respekt und Ehrfurcht vor der Größe seines Geistes (--„doch in scheuer Ehrfurcht vor dem Genius“) besteht. Rilke beschreibt Hus als jemanden, der überzeugt von seiner Aufgabe war und dessen Ruhm durch das Feuer des Scheiterhaufens nur erhellt wurde.

Auf der formalen Ebene zeichnet sich „Superavit“ durch eine klare und symmetrische Struktur aus: drei Strophen zu je fünf Versen. Der gleichbleibende Rhythmus verleiht dem Gedicht eine Art liturgische, rituelle Qualität, die die thematische Gravität unterstreicht. In Bezug auf die Sprache bedient sich Rilke eines eher gehobenen und veralteten Vokabulars, was den historischen Kontext und die Ehrfurcht vor dem dargestellten Geschehen unterstreicht. Des Weiteren verwendet Rilke einige Metaphern – besonders auffällig ist die des Feuers, das sowohl Vernichtung als auch Reinigung und Erleuchtung symbolisiert.

Zusammenfassend ist „Superavit“ ein Gedicht, das mit bewegender Intensität ein trauriges, aber heroisches Kapitel der Geschichte einfängt. In seiner Thematisierung von religiöser Verfolgung und standhafter Überzeugung zeigt es die Macht des Geistes und die Unsterblichkeit der Ideen auf, trotz brutaler physischer Vernichtung.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Superavit“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Rainer Maria Rilke. Geboren wurde Rilke im Jahr 1875 in Prag. Im Zeitraum zwischen 1891 und 1926 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Frankfurt am Main. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 70 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 15 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Die Gedichte „Abend“, „Abend in Skaane“ und „Absaloms Abfall“ sind weitere Werke des Autors Rainer Maria Rilke. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Superavit“ weitere 338 Gedichte vor.

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