Sturm von Heinrich Heine
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Es wüthet der Sturm, |
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Und er peitscht die Well’n, |
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Und die Wellen, wuthschäumend und bäumend, |
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Thürmen sich auf, und es wogen lebendig |
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Die weißen Wasserberge, |
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Und das Schifflein erklimmt sie |
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Hastig mühsam, |
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Und plötzlich stürzt es hinab |
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In schwarze, weitgähnende Fluthabgründe – |
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O Meer! |
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Mutter der Schönheit, der Schaumentstiegenen! |
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Großmutter der Liebe! schone meiner! |
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Schon flattert, leichenwitternd, |
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Die weiße, gespenstische Möve, |
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Und wetzt an dem Mastbaum den Schnabel |
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Und lechzt, voll Fraßbegier, nach dem Mund, |
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Der vom Ruhm deiner Tochter ertönt, |
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Und lechzt nach dem Herzen, |
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Das dein Enkel, der kleine Schalk, |
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Zum Spielzeug erwählt. |
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Vergebens mein Bitten und Flehn! |
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Mein Rufen verhallt im tosenden Sturm, |
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Im Schlachtlärm der Winde; |
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Es braußt und pfeift und prasselt und heult, |
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Wie ein Tollhaus von Tönen! |
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Und zwischendurch hör’ ich vernehmbar |
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Lockende Harfenlaute, |
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Sehnsuchtwilden Gesang, |
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Seelenschmelzend und seelenzerreißend, |
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Und ich erkenne die Stimme. |
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Fern an schottischer Felsenküste, |
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Wo das graue Schlößlein hinausragt |
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Ueber die brandende See, |
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Dort am hochgewölbten Fenster, |
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Steht eine schöne, kranke Frau, |
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Zartdurchsichtig und marmorblaß, |
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Und sie spielt die Harfe und singt, |
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Und der Wind durchwühlt ihre langen Locken, |
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Und trägt ihr dunkles Lied |
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Ueber das weite, stürmende Meer. |
Details zum Gedicht „Sturm“
Heinrich Heine
4
40
189
1825–1826
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Das vorliegende Gedicht „Sturm“ wurde von Heinrich Heine verfasst, einem der bekanntesten Dichter der deutschen Romantik, der von 1797 bis 1856 lebte.
Schon beim ersten Durchlesen wird der Eindruck eines walzenden und rauen Seesturms vermittelt. Die Naturgewalt, die Heine hier schildert, zieht den Leser schon von den ersten Versen an in seinen Bann.
Im ersten Absatz beschreibt das lyrische Ich einen tobenden Sturm auf dem Meer. Die See wird als bedrohlich und gewaltig dargestellt. Ein kleines Schiff wird von weißen Wasserbergen hinaufgetragen und plötzlich wieder hinab in schwarze, gähnende Flutabgründe gestürzt.
Im zweiten Absatz fleht das lyrische Ich das Meer an, es zu verschonen. Das Meer wird als Mutter der Schönheit und Großmutter der Liebe bezeichnet. Eine Möwe wird als leichenwitterndes, gespenstisches Wesen beschrieben, das nach dem Mund und dem Herzen des lyrischen Ichs lechzt, eine Metapher, die auf die Gefahren und Herausforderungen während der Sturmfahrt hinweist.
Im dritten Absatz wird der Sturm immer lauter und das flehentliche Rufen des lyrischen Ichs geht im Tosen der Winde unter. Zwischen den stürmischen Geräuschen hört er melodische Harfenlaute und Gesang, den er zu erkennen scheint.
Im letzten Abschnitt wird enthüllt, dass der Gesang von einer kranken, schönen Frau an einer schottischen Küste stammt, deren dunkles Lied der Wind über das stürmende Meer trägt.
Das Gedicht ist reich an Metaphern und bildhafter Sprache. Die Form ist unregelmäßig, mit Strophen, die variieren zwischen 9 und 11 Versen. Die Sprache ist altmodisch, kraftvoll und melodisch, passend zur Darstellung des wilden Meeres. Heine gelingt es, ein intensives Bild von Stärke, Gefahr und Schönheit zu malen, das die Naturgewalten und menschliche Emotionen meisterhaft verschmelzen lässt.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Sturm“ ist Heinrich Heine. Der Autor Heinrich Heine wurde 1797 in Düsseldorf geboren. Im Jahr 1826 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Hamburg. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Bei Heine handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 189 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. Die Gedichte „Altes Lied“, „Am Golfe von Biskaya“ und „Am Kreuzweg wird begraben“ sind weitere Werke des Autors Heinrich Heine. Zum Autor des Gedichtes „Sturm“ haben wir auf abi-pur.de weitere 535 Gedichte veröffentlicht.
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