Streit von Joachim Ringelnatz
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Mächtig ist die Ehrlichkeit. |
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Glückt es listigen Gewalten, |
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Sie im Gradweg aufzuhalten, |
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Immer nur für kurze Zeit. |
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Doch die kurze Zeit kann lang sein, |
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Länger als ein Flügelheben, |
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Länger als ein wartend Leben, |
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Und das Ehrliche kann bang sein. |
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Die um Falsch und Ehrlich deuten, |
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Ältere mit jüngren Leuten, |
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Irreleitend, irrgeleitet, |
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Wie’s um Falsch und Ehrlich streitet – –, |
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All die Zeit, die sie vergeuden, |
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Könnte die mit Lustspielfreuden |
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Besser ausgenossen sein? |
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Ich sag: Nein! |
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Wenn ich doch so ehrlich wäre |
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Wie ein neugebornes Kind, |
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Und mich trüge dann ein Wind – |
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Freiballons – ins Ungefähre. |
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Schlag mich einer flach und breit: |
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Mächtig ist die Ehrlichkeit. |
Details zum Gedicht „Streit“
Joachim Ringelnatz
5
22
103
1929
Moderne,
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Streit“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst, einem bekannten deutschen Schriftsteller und Kabarettist, der von 1883 bis 1934 lebte. Das Gedicht kann daher in die Zeit der Weimarer Republik (1918-1933) in Deutschland eingeordnet werden, einer Zeit großer sozialer, politischer und kultureller Veränderungen.
Auf den ersten Blick fällt auf, dass sich das Gedicht mit dem Konzept der Ehrlichkeit auseinandersetzt. Das lyrische Ich reflektiert über Macht und Zeit, Vor- und Nachteile, Geeignetheit und Wunsch, ehrlich zu sein oder nicht.
Inhaltlich geht es im Gedicht um die Macht der Ehrlichkeit und die Schwierigkeiten, die damit einhergehen können. Das lyrische Ich stellt fest, dass Ehrlichkeit mächtig ist, aber manchmal von „listigen Gewalten“ gestoppt werden kann, allerdings nur für kurze Zeit. Es erwägt, dass diese kurze Zeit lang sein kann, länger als ein sich bewegender Flügel oder ein wartendes Leben, und dass Ehrlichkeit manchmal belasten kann. Es reflektiert darüber, ob die Zeit, die man damit verbringt, über Falschheit und Ehrlichkeit zu streiten, besser verwendet werden könnte, beispielsweise indem man das Leben genießt. Es antwortet darauf jedoch mit einem klaren Nein. Es drückt den Wunsch aus, so ehrlich wie ein neugeborenes Kind zu sein, und wünscht sich, dass es wie ein Freiballon ins Unbekannte getragen wird. Es endet mit der Aussage, dass Ehrlichkeit mächtig ist, auch wenn sie Flachheit und Breite erfordert.
Die Form des Gedichts ist klar strukturiert mit fünf Strophen von vier, vier, acht, vier und zwei Versen. Die Sprache des Gedichts ist direkt und zuweilen metaphorisch, zum Beispiel wenn die Kurzlebigkeit eines Flügelschlags oder die Naivität eines neugeborenen Kindes als Metaphern für Zeit und Ehrlichkeit verwendet werden. Stilistischen Mitteln wie Reimen oder Metren bedient sich Ringelnatz in diesem Gedicht nicht konsequent. Es ist eher die Einsicht und Raum für Reflexion, die dem Leser mit diesem Gedicht gegeben wird, was es einzigartig und bedeutsam macht.
Insgesamt ist das Gedicht eine tiefe Reflexion über das Konzept der Ehrlichkeit, seine Macht und Schwierigkeiten, und eine Aufforderung an den Leser, sich ebenfalls mit dieser Idee auseinanderzusetzen.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Streit“ des Autors Joachim Ringelnatz. Im Jahr 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Im Jahr 1929 ist das Gedicht entstanden. In Berlin ist der Text erschienen. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Moderne oder Expressionismus zuordnen. Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das 103 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 22 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Der Dichter Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „Abermals in Zwickau“, „Abgesehen von der Profitlüge“ und „Abglanz“. Zum Autor des Gedichtes „Streit“ haben wir auf abi-pur.de weitere 560 Gedichte veröffentlicht.
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Zum Autor Joachim Ringelnatz sind auf abi-pur.de 560 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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