Streikbrecherlied von Heinrich Kämpchen

Wir sind die „Arbeitswilligen“,
Die „Guten“ und die „Billigen“. –
Wir schuften, wenn die andern ruh’n
Und tun, was sie nicht wollen tun;
Sind folgsam und zu jeder Zeit
Dem Kapital zum Dienst bereit. –
 
Sobald nur Streik und Ausstand droht,
Sind wir die Retter in der Not. –
Man lockt und buhlt um uns’re Gunst,
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Und wir, wir fühlen gleiche Brunst
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(Nur Dumme nennen es gemein)
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Und springen in die Bresche ein. –
 
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So sind geschätzt wir und geehrt
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Vom Arbeitgeber und begehrt. –
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Auch geht die Sache nett und glatt,
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Man bringt uns fein zur Arbeitsstatt
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Und schützt in fest geschloss’nem Trott
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Uns vor der Bösen Hohn und Spott. –
 
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Und wenn uns einer schief anguckt,
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Und wohl gar auf den Boden spuckt,
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So greift die Polizei den Wicht
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Und schleppt ihn hurtig zum Gericht,
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Das macht dem Burschen dann parat
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Sechs Monat für die Freveltat. –
 
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Ja, ja, man schätzt uns ungemein,
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Und das mit Recht, wir haben Schwein. –
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Sieht scheel auch zu der Streiker Hauf’,
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Was kümmert’s uns, wir pfeifen drauf –
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Und bleiben doch die „Willigen“,
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Die „Guten“ und die „Billigen“. –
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.1 KB)

Details zum Gedicht „Streikbrecherlied“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
30
Anzahl Wörter
182
Entstehungsjahr
1909
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Lied des Streikbrechers wurde von Heinrich Kämpchen verfasst, einem relativ unbekannten Dichter/Schriftsteller, der von 1847 bis 1912 lebte. Die zeitliche Einordnung liegt damit im späten 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert, zur Zeit der Industrialisierung und Arbeiterbewegung.

Beim ersten Eindruck, wirkt das Gedicht zynisch und ironisch. Das lyrische Ich scheint sich der Konsequenzen seiner Position bewusst zu sein.

Inhaltlich beschreibt das Gedicht, aus Sicht einer Gruppe von Arbeitern, die bereit sind, während eines Streiks weiterhin zu arbeiten. Sie sind „Arbeitswillig“, „Gut“ und „Billig“, was vermutlich meint, dass sie ohne Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen oder höheren Löhnen arbeiten. Sie sind wenn nötig bereit, die Arbeit von streikenden Arbeitern zu übernehmen (in die Bresche springen). Dabei genießt diese Gruppe durch ihren Arbeitgeber Wertschätzung und Schutz vor den schmähenden Streikenden. Trotz der Tatsache, dass sie von den Streikenden diskriminiert und vielleicht sogar gehässig betrachtet werden, behaupten sie stolz, dass sie ihren Standpunkt beibehalten.

Formal gesehen besteht das Gedicht aus fünf Strophen, jeweils 6 Versen. Die Sprache ist einfach und direkt, geschrieben im Volkslied-Stil. Es ist somit für alle verständlich, was wahrscheinlich der Intention des Dichters entspricht, sein Publikum breit anzusprechen und das Thema leicht verdaulich zu machen.

Die Aussage das lyrischen Ichs ist sowohl eine Selbst- als auch eine gesellschaftliche Kritik. Es verdeutlicht die Ironie und Paradoxie der Rolle der Streikbrecher. Diese Arbeiter sind unentbehrlich für die Aufrechterhaltung des Betriebs während des Streiks, sie werden jedoch gleichzeitig von den streikenden Kollegen verachtet.

Zusammengefasst handelt es sich bei dem Gedicht um eine ironische Betrachtung der Arbeiterbewegung und insbesondere der Rolle der Streikbrecher innerhalb dieser Bewegung. Es spiegelt die Spannung zwischen den Interessen der Arbeiter und den Interessen der Arbeitgeber wieder. Es ist eine Gesellschaftskritik über die Ausbeutung der Arbeiter und die Notwendigkeit für gerechtere Arbeitsbedingungen.

Weitere Informationen

Heinrich Kämpchen ist der Autor des Gedichtes „Streikbrecherlied“. Geboren wurde Kämpchen im Jahr 1847 in Altendorf an der Ruhr. Im Jahr 1909 ist das Gedicht entstanden. Bochum ist der Erscheinungsort des Textes. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das 182 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 30 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Heinrich Kämpchen ist auch der Autor für Gedichte wie „Am goldenen Sonntag“, „An Annette von Droste-Hülshoff“ und „An Hertha“. Zum Autor des Gedichtes „Streikbrecherlied“ haben wir auf abi-pur.de weitere 165 Gedichte veröffentlicht.

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