Stimme auf einer steilen Treppe von Joachim Ringelnatz

Drei Söhne hab’ ich bei die Ulanen verloren,
Mein Mann fiel aus dem dritten Stock.
Aber – es wird lustig weitergeboren!
Ich habe nur noch den einen, den Umstandsrock.
 
Macht es mir nach: Werdet schwanger, ihr Weiber!
Alle Weiber müssen schwanger sein.
Dann springen die Männer vor eure geschwollenen Leiber
Links und rechts beiseite und sind ganz klein.
 
Aller Anfang ist schwer.
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Pfeift auf die Fehlgeburten und Mißgeburten. –
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Wenn nicht immer mal wieder zwei Menschen hurten,
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Blieben zuletzt die Wirtshäuser leer,
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Gäb’s keine Soldaten mehr.
 
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Die Schweinerei ist nun doch einmal Sitte und Brauch.
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Gott hat uns Weiber zu Schöpferinnen gesalbt.
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Schiebt also trotzig euren geladenen Bauch
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Über die Friedhöfe hin. – Und kalbt!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.6 KB)

Details zum Gedicht „Stimme auf einer steilen Treppe“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
17
Anzahl Wörter
113
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht stammt von Joachim Ringelnatz, der von 1883 bis 1934 lebte. Somit ist es zeitlich der Moderne zuzuordnen, einer Epoche zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert, die von politischen und gesellschaftlichen Veränderungen geprägt war. Ringelnatz ist bekannt für seine satirischen und teils grotesken Gedichte.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht provokativ und direkte. Es konfrontiert den Leser auf eine fast schon raue und sarkastische Weise mit den traurigen und abstoßenden Aspekten des Lebens, insbesondere der Geburt und des Todes.

Inhaltlich handelt das Gedicht von einer Frau, die über das Leben, den Tod und die Rolle der Frau in der Gesellschaft reflektiert. Sie hat mehrere Kinder und ihren Mann verloren und scheint bitter und herzlos zu sein. Sie fordert andere Frauen auf, schwanger zu werden, darauf zu pfeifen, was andere von ihnen denken und ihre Pflicht zu tun, um die Gesellschaft aufrecht zu erhalten - sprich um Soldaten und Kunden für Wirtshäuser zu gebären. Hierdurch wird eine Kritik am Militarismus und der damaligen traditionellen Frauenrolle deutlich.

In Bezug auf die Form, besteht das Gedicht aus vier Strophen mit jeweils vier bis fünf Versen. Es folgt keiner traditionellen Reimstruktur, was den direkten und rauen Ton des Gedichts unterstützt.

Die Sprache des Gedichts ist dabei direkt und ungeschönt. Durch die Verwendung von Derben Ausdrücken und bildlichen Redewendungen erzeugt Ringelnatz eine erschütternde und provokative Wirkung. Dazu, dient die auffällige Personifikation des Ungeborenen als „geladener Bauch“, das die Schwangerschaft als eine Form von Waffe oder Last darstellt, die die Frau mit sich herum trägt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gedicht „Stimme auf einer steilen Treppe“ von Joachim Ringelnatz eine beißende Satire und eine scharfe gesellschaftliche Kritik ist, die den Leser dazu auffordert, über das Konzept der Geburt, des Todes und die Rolle der Frau in der Gesellschaft nachzudenken.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Stimme auf einer steilen Treppe“ des Autors Joachim Ringelnatz. 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1920 entstanden. München ist der Erscheinungsort des Textes. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Moderne oder Expressionismus zuordnen. Bei dem Schriftsteller Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das 113 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 17 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joachim Ringelnatz sind „Abgesehen von der Profitlüge“, „Abglanz“ und „Abschied von Renée“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Stimme auf einer steilen Treppe“ weitere 560 Gedichte vor.

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