Stammtisch Individueller von Joachim Ringelnatz

Wir sitzen gediegen und ausgewählt
Beisammen und spielen gemütlich.
Wenn einer ernst, lustig, vom Norden erzählt,
Lacht jeder etwas. Und denkt südlich.
 
Zwei Kellner trotteln durch das Wirtshaus.
Zwischen ihnen steht ein Spiegel.
Sie popeln beide auf Teufelkommraus,
Ein – scheinbar zwei – Schweinigel.
 
Was wissen die von Brücken, die
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Sich selbst für Inseln halten?
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Und welche Inseln meinen, sie
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Könnten sich selbst verwalten?
 
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Wir wandern alle mit der Zeit
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Nach dem spitzen Ende der Tüte.
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Höflichkeit und Liebenswürdigkeit
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Sind noch längst keine Güte.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.3 KB)

Details zum Gedicht „Stammtisch Individueller“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
82
Entstehungsjahr
1929
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Stammtisch Individueller“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst, einem deutschen Schriftsteller und Kabarettist, der von 1883 bis 1934 lebte. Da seine Schaffensphase hauptsächlich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts liegt, ist das Gedicht dem Expressionismus zuzuordnen.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht nüchtern und treffend. Beim Lesen des Gedichts entsteht das Bild einer alltäglichen Begebenheit – einem Zusammentreffen von Individuen an einem Stammtisch. Das Bild zieht sich durch das ganze Gedicht und bietet eine Plattform für die metaphorische Darstellung menschlicher Gemeinschaft und Individualität.

Inhaltlich geht es in dem Gedicht um eine Gruppe von Menschen (das „wir“ im Gedicht), die in einem Wirtshaus sitzen und sich unterhalten. Es wird ein Bild von Gemütlichkeit und Zusammengehörigkeit gezeichnet – der typische Stammtisch. Jeder von ihnen bringt seine eigene Persönlichkeit und Herkunft in die Runde ein, und trotzdem lacht jeder und man scheint sich zu verstehen. Die teilnehmendenn Kellner, die in ihrem eigenen Universum gefangen scheinen, dienen als metaphorischer Spiegel für die Selbstwahrnehmung der Individuen am Stammtisch. Im letzten Teil des Gedichts reflektiert das lyrische Ich dann das unausweichliche Fortschreiten der Zeit und die Schwierigkeit, wahre Güte durch Höflichkeit und Liebenswürdigkeit zu zeigen.

Formal ist das Gedicht in vier Strophen zu je vier Versen gegliedert, eine relativ klassische Form. Die Sprache ist relativ einfach und direkt, teils umgangssprachlich („Teufelkommraus“, „Schweinigel“), was einen lebendigen und volksnahen Charakter verleiht.

Im Ganzen schafft es Ringelnatz durch dieses Gedicht, einen gesellschaftlichen Mikrokosmos darzustellen und dabei wichtige Fragen der menschlichen Existenz und Interaktion anzusprechen. Es geht um die Dynamiken in einer Gruppe, um individuelle versus kollektive Identität, um Selbst- und Fremdwahrnehmung, um Zeit und Vergänglichkeit und nicht zuletzt um die Frage, was wahre Güte ausmacht. Mit seiner pointierten Beobachtungsgabe und dem Sinn für das Absurde des Alltäglichen gelingt es ihm, diese Themen zu beleuchten und dem Leser zum Nachdenken anzuregen.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Stammtisch Individueller“ ist Joachim Ringelnatz. Im Jahr 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Im Jahr 1929 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Berlin. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Moderne oder Expressionismus zuordnen. Bei dem Schriftsteller Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 82 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 16 Versen. Weitere Werke des Dichters Joachim Ringelnatz sind „...als eine Reihe von guten Tagen“, „7. August 1929“ und „Abendgebet einer erkälteten Negerin“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Stammtisch Individueller“ weitere 560 Gedichte vor.

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