Sklavenmoral von Otto Ernst

Mein Junge, du wirst zu treu und zu gut –
Fast möcht' ich dich wecken!
Ich seh's mit schwellendem Stolz – und ich seh's
Mit wachsendem Schrecken.
 
Dein Auge feuchtet ein keuscher Glanz
Wie Tau einer Blüte;
Es atmet durch deinen weichen Mund
Die träumende Güte.
 
Dir zuckt's um die Lippen bei fremdem Schmerz,
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Und du willst ihn lindern –
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Ein wunderbares, befremdliches Ding
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Bei der Menschen Kindern.
 
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Pass' auf, sie werden dich früh genug
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Vor den Karren spannen;
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Und hast du die Last zu Berge geschleppt,
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Man hetzt dich von dannen.
 
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Weh dir, wenn ein Gott in den Geist dir gelegt
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Gewalt des Propheten –
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Sie werden überbrüllen dein Wort
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Und im Kot dich zertreten.
 
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Du wirst sie mit blankem, sausendem Schwert
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Zum Siege führen –
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Dann aber wirst du dich krümmen im Staub
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Vor ihren Türen.
 
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Ich seh's um deine zarte Stirn
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Wie Dornen und Blut –
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Und ich reiße dich wild ans hämmernde Herz
28 
In aufjubelnder Glut.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.9 KB)

Details zum Gedicht „Sklavenmoral“

Autor
Otto Ernst
Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
154
Entstehungsjahr
1907
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Sklavenmoral“ stammt vom Autor Otto Ernst, der von 1862 bis 1926 lebte. Otto Ernst war ein deutscher Schriftsteller, bekannt für seine Werke in Poesie und Prosa. Angesichts des Lebensdatums des Autors kann das Gedicht in die Epoche des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts eingeordnet werden, was gesellschaftliche und kulturelle Aspekte wie die Industrialisierung, das Entstehen von Massenkultur, den Aufstieg des Bürgertums und den Beginn des Ersten Weltkriegs widerspiegeln könnte.

Beim ersten Eindruck fällt die direkte Ansprache und der emotional geprägte Ton des lyrischen Ichs, vermutlich aus der Perspektive eines fürsorglichen, jedoch besorgten Elternteils oder älteren Betreuers, an einen jüngeren Menschen auf.

Inhaltlich dreht sich das Gedicht um die Gefühle von Stolz und Sorge, die das lyrische Ich in Bezug auf die Entwicklung der charakterlichen Eigenschaften des Jungen empfindet. Er beschreibt den Jungen als gutherzig, sensibel und einfühlsam, etwa in Zeile 7, wo sein Mund als „weich“ und voll von „träumender Güte“ dargestellt wird. Gleichzeitig fürchtet das lyrische Ich, dass diese Eigenschaften in einer rauen, ausbeuterischen Welt zum Nachteil des Jungen werden könnten.

Im Hinblick auf die Form und Sprache des Gedichts besteht es aus sieben vierzeiligen Strophen mit einer eher einfachen und direkten Sprache, die reich an emotional aufgeladenen Bildern und Metaphern ist. Jede Strophe hat ihren eigenen thematischen Schwerpunkt, von der Anfangsbeschreibung des Jungen und seiner Eigenschaften bis zur Darstellung der potenziellen Misshandlung, die er erleiden könnte, sowie der abschließenden, leidenschaftlichen Äußerung von Stolz und Sorge des lyrischen Ichs. Es sind immer wieder Stilmittel wie Personifikationen und Vergleiche zu erkennen. Zum Beispiel die „schwellende Stolz“ und „wachsende Schrecken“ in Strophe 1 oder der „Glanz wie Tau einer Blüte“ und „Dornen und Blut“ in den Strophen 2 und 7. Diese lebendigen Bilder tragen dazu bei, die emotionalen Zustände des lyrischen Ichs und seine Sicht auf den Jungen und dessen mögliche Zukunft zum Ausdruck zu bringen.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass „Sklavenmoral“ ein emotional bewegendes Gedicht ist, das eine tiefe Fürsorge und Besorgnis für einen gutmütigen, sensiblen Jungen in einer potenziell harten und ausbeuterischen Welt zum Ausdruck bringt. Es nutzt eine klare und anschauliche Sprache, um eindrucksvolle Bilder zu erzeugen und seine Botschaft zu vermitteln.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Sklavenmoral“ ist Otto Ernst. Geboren wurde Ernst im Jahr 1862 in Ottensen bei Hamburg. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1907 zurück. Leipzig ist der Erscheinungsort des Textes. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das 154 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Weitere Werke des Dichters Otto Ernst sind „Allein im Dunkel“, „Alles ist ewig“ und „An einem leisen Bach“. Zum Autor des Gedichtes „Sklavenmoral“ haben wir auf abi-pur.de weitere 64 Gedichte veröffentlicht.

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