Eine Erfindung machen von Joachim Ringelnatz

Du kannst doch schweigen? Du bist doch kein Kind
Mehr! — Die Lederbände im Bücherspind
Haben, wenn du die umgeschlagenen Deckel hältst
Hinten eine kleine Höhlung im Rücken.
Dort hinein mußt du weichen Käse drücken.
Außerdem kannst du Käsepropfen
Tief zwischen die Sofapolster stopfen.
— — — —
Lasse ruhig eine Woche verstreichen.
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Dann mußt du immer traurig herumschleichen.
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Bis die Eltern nach der Ursache fragen.
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Dann tu erst, als wolltest du ausweichen,
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Und zuletzt mußt du so stammeln und sagen:
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„Ich weiß nicht, — ich rieche überall Leichen —.“
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— — — —
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Deine Eltern werden furchtbar erschrecken
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Und überall rumschnüffeln nach Leichengestank,
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Und dich mit Schokolade ins Bett stecken.
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Und zum Arzt sage dann: „Ich bin seelenkrank.“
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— — — —
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Nur laß dich ja nicht zum Lachen verleiten.
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Deine Eltern — wie Eltern so sind —
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Werden bald überall verbreiten:
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Du wärst so ein merkwürdiges, interessantes Kind.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.8 KB)

Details zum Gedicht „Eine Erfindung machen“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
133
Entstehungsjahr
1924
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Eine Erfindung machen“ stammt von Joachim Ringelnatz, einem deutschen Schriftsteller und Kabarettist. Ringelnatz lebte von 1883 bis 1934, daher lässt sich das Gedicht zeitlich in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts einordnen.

Als ersten Eindruck hinterlässt dieses Gedicht einen humorvollen, etwas verspielten und ironischen Ton. Es handelt offensichtlich von einer Anleitung, wie das lyrische Ich versucht, ein merkwürdiges und interessantes Kind zu erscheinen oder sich vielleicht von der Masse abzuheben.

Das Gedicht erzählt eine Geschichte, in der das lyrische Ich die Leser dazu bringt, Käse in Bücher einzupressen und zwischen Sofapolster zu stopfen, dann eine Woche stehen zu lassen, danach seine Eltern in die Irre führt, indem es vorgibt, den Geruch von Leichen wahrzunehmen. Das Ganze gipfelt darin, dass das Kind behauptet, „seelenkrank“ zu sein und seine Eltern veranlasst, es mit Schokolade ins Bett zu stecken. Schließlich werden die Eltern dieses „merkwürdige, interessante Kind“ bewundern.

Damit spielt das lyrische Ich mit der Vorstellung, dass Erwachsene oft nicht wissen, wie sie auf das Verhalten ihrer Kinder reagieren sollen. Es nutzt dies aus, um einen Streich zu spielen und Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Es nutzt den Käse als Metapher für diese Täuschung und das Verhalten des lyrischen Ichs als Satire auf die Erwachsenenwelt und wie sie Kinder wahrnimmt.

In Bezug auf Form und Sprache hat das Gedicht eine klare Struktur mit vier Strophen und insgesamt 24 Versen. Die Sprache von Ringelnatz ist umgangssprachlich und direkt, was die humorvolle und ironische Stimmung des Gedichts unterstreicht. Trotz dieser Einfachheit schafft Ringelnatz es, einen lebendigen Dialog zu erzeugen, der den Leser in die Geschichte hineinzieht. Die Ellipsen zwischen den Versen tragen zur Erzeugung einer Pausenatmosphäre bei, die Raum für die Vorstellungskraft des Lesers lässt, wie die Aktionen ausgeführt werden und wie die Eltern reagieren könnten. Am Ende steht die Pointe, die in eine abschließende Aussage mündet und das Gedicht schlüssig abrundet.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Eine Erfindung machen“ des Autors Joachim Ringelnatz. 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1924 zurück. Der Erscheinungsort ist Potsdam. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Bei Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 133 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 24 Versen. Die Gedichte „Abermals in Zwickau“, „Abgesehen von der Profitlüge“ und „Abglanz“ sind weitere Werke des Autors Joachim Ringelnatz. Zum Autor des Gedichtes „Eine Erfindung machen“ haben wir auf abi-pur.de weitere 560 Gedichte veröffentlicht.

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