Selbstzersetzung von Frank Wedekind

Hochheil’ge Gebete, die fromm ich gelernt,
Ich stellte sie frech an den Pranger;
Mein kindlicher Himmel, so herrlich besternt,
Ward wüsten Gelagen zum Anger.
 
Ich schalt meinen Gott einen schläfrigen Wicht;
Ich schlug ihm begeistert den Stempel
Heillosen Betrugs ins vergrämte Gesicht
Und wies ihn hinaus aus dem Tempel.
 
Da stand ich allein im erleuchteten Haus
10 
Und ließ mir die Seele zerwühlen
11 
Von grausiger Wonne, von wonnigem Graus:
12 
Als Tier und als Gott mich zu fühlen.
 
13 
Auch hab’ ich, den mördrischen Kampf in der Brust,
14 
Am Altar gelehnt, übernachtet,
15 
Und hab’ mir, dem Gotte, zu Kurzweil und Lust
16 
Mich selber zum Opfer geschlachtet.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.3 KB)

Details zum Gedicht „Selbstzersetzung“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
104
Entstehungsjahr
1905
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts „Selbstzersetzung“ ist Frank Wedekind, ein deutscher Schriftsteller, der von 1864 bis 1918 lebte. Das späte 19. und frühe 20. Jahrhunddeutschland, zu dem das Gedicht gehört, war von großer politischer und sozialer Umwälzung geprägt, insbesondere durch die Industrialisierung und die damit verbundenen Veränderungen.

Beim ersten Eindruck fallen die klare Struktur des Gedichts und die dramatischen Bilderzulängen, Biografien und Titel auf. Das Gedicht besteht aus vier Strophen mit jeweils vier Versen und verwendet eine kraftvolle und bildliche Sprache.

Im Zusammenhang mit dem Inhalt drückt das lyrische Ich, das wahrscheinlich der Autor selbst ist, einen starken Prozess der Selbstzersetzung und -transformation aus, beginnend mit einer religiösen Abkehr, in der die Gebete seiner Kindheit und sein Glaube an Gott infrage gestellt und sogar verspottet werden. Das lyrische Ich positioniert sich als jemand, der Gott aus seinem inneren Tempel verweist und allein in einem erleuchteten Haus steht. Es gibt Hinweise auf innere Kämpfe und Schmerz, auf das Gefühl, sowohl Tier als auch Gott zu sein und auf eine schließlich durch eigene Hand erfolgenden Opferung.

Die Form des Gedichts ist regelmäßig, mit vier Strophen zu je vier Versen, die eine Geschichte der radikalen Selbstveränderung erzählen. In Bezug auf die Sprache verwendet Wedekind eine sehr bildliche, metaphorische und teilweise drastische Ausdrucksweise. Es gibt eine starke Nutzung von Religions- und Glaubensmetaphorik, die den radikalen Bruch des lyrischen Ichs mit seinem früheren Selbst und seiner früheren Weltanschauung unterstreicht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Selbstzersetzung“ ein Gedicht ist, das den tiefgreifenden Prozess des inneren Umbruchs und der Selbsttransformation sehr drastisch und emotional darstellt. Mit kraftvollen Bildern und Metaphern gibt der Autor Einblick in einen Prozess der Selbstkonfrontation und -zerstörung, der tiefgründig und zugleich schockierend wirkt.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Selbstzersetzung“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Frank Wedekind. Wedekind wurde im Jahr 1864 in Hannover geboren. Im Jahr 1905 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist München. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Moderne zu. Der Schriftsteller Wedekind ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 104 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Die Gedichte „An Bruno“, „An Elka“ und „An Francisca de Warens“ sind weitere Werke des Autors Frank Wedekind. Zum Autor des Gedichtes „Selbstzersetzung“ haben wir auf abi-pur.de weitere 114 Gedichte veröffentlicht.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Frank Wedekind

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Frank Wedekind und seinem Gedicht „Selbstzersetzung“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Frank Wedekind (Infos zum Autor)

Zum Autor Frank Wedekind sind auf abi-pur.de 114 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.