Seefahrt von Joachim Ringelnatz

Wie viele Gedanken begleiten,
Erwartend die Schiffe, hin, her, von Land!
 
Manchmal gleichen auf See die Zeiten
Dachzimmerchen ohne Wand.
 
Wenn Schiffe verschollen geblieben,
Untergegangen sind,
Fragt niemand mehr: Welcher Wunsch, welcher Wind
Hat das Schiff in die Ferne getrieben?
 
Was ist's, was die Schiffe meistert,
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Durch die Möglichkeiten sie leitet?
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Der Mut, der den Weltblick begeistert,
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Rauhleben, das Kleinblicke weitet.
 
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Mit Ehrlichkeit durch Gefahr. —
 
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Vielleicht ist das morgen nicht mehr.
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Doch Seefahrt, wie vordem sie war,
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War wunderbar.
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Roch nach Gewürzen und Teer.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.2 KB)

Details zum Gedicht „Seefahrt“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
17
Anzahl Wörter
84
Entstehungsjahr
1932
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Seefahrt“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst, einem bekannten deutschen Schriftsteller und Kabarettisten, der vor allem für seine humorvollen und satirischen Gedichte bekannt ist. Er lebte von 1883 bis 1934 und publizierte das Gedicht im Jahr 1933 in der Sammlung „Kuttel Daddeldu oder das schlüpfrige Leid“. Theoretisch fällt es also in die Literatur der Weimarer Republik, genauer gesagt in die Spätphase dieser Epoche.

Das Gedicht gibt auf den ersten Eindruck ein Bild von der Faszination und Mysteriösität der Seefahrt wieder. Es erweckt Bilder von mächtigen Schiffen, die von unbekannten Zielen und eventuellen Gefahren angezogen werden, sowie von der Unberechenbarkeit und Weite des Meeres.

Im Inhaltlichen stellt Ringelnatz die Schiffe als Träger von Erwartungen und Gedanken dar, die von Land aus auf Reise gehen. Die Seefahrt wird metaphorisch als Lebensreise beschrieben, in der nicht die äußeren Umstände entscheiden, sondern „Mut, der den Weltblick begeistert“ und „Rauhleben, das Kleinblicke weitet.“ Die Erwähnung von „Dachzimmerchen ohne Wand“ kann als Symptom für die Offenheit und Unbegrenztheit der Seefahrt gesehen werden.

In den letzten beiden Strophen gibt es einen melancholischen Note, in dem der Wandel und das mögliche Verschwinden der Seefahrt, so wie sie war, in den Vordergrund tritt.

In Bezug auf Form und Sprache hält sich Ringelnatz an keine strenge Struktur oder Reimform. Er wechselt freizügig zwischen zwei und vier Versen pro Strophe und lässt sich auf keine feste Reimstruktur ein. Das gibt dem Gedicht ein freies, fließendes Gefühl, passend zum Thema der unvorhersehbaren und unbeschränkten Seefahrt. Dennoch gibt es gelegentliche Reime, etwa in der vierten Strophe („meistert“ / „begeistert“), die dem Gedicht eine angenehme Rhythmik geben. Ringelnatz' Sprache ist im Allgemeinen klar und schnörkellos, gleichzeitig aber metaphorisch und bildhaft.

Zusammenfassend handelt es sich bei „Seefahrt“ um ein nachdenkliches und anregendes Gedicht, das die Faszination und Unbekannten der Seereise betont, während es gleichzeitig den Verlust und Wandel thematisiert. Die freie Struktur und klare, bildliche Sprache tragen zum Gesamteindruck bei und machen das Gedicht zu einem außergewöhnlichen Stück von Ringelnatz' Schaffen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Seefahrt“ des Autors Joachim Ringelnatz. Der Autor Joachim Ringelnatz wurde 1883 in Wurzen geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1932. Erschienen ist der Text in Berlin. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Bei Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 17 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 84 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joachim Ringelnatz sind „Abermals in Zwickau“, „Abgesehen von der Profitlüge“ und „Abglanz“. Zum Autor des Gedichtes „Seefahrt“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.

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