Schönheit von Heinrich Kämpchen

Nach Schönheit dürstet die Seele mir
Von früh’ster Jugend an, und immer noch,
Deckt auch der Reif des Alters schon mein Haupt,
Bin schönheitsdurstig ich und späh’ und späh’
Nach Götterbildern, wie die Sehnsucht sie
Mir vor die Seele zaubert – doch umsonst! –
 
Umsonst! – Ein Kärrner fron’ ich in dem Joch
Der groben Alltagswelt – nie wird mein Aug’
Die sonnigen Gefilde Griechenlands,
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Neapels Golf und den Vesuvus schau’n. –
 
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Wo auch die Schönheit thront – mir frommt es nicht!
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Ob funkelnd Nordschein ihr die Stirn umstrahlt
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Gewitterhaft. – Ob unter Lotos sie
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Am heil’gen Ganges träumt – mir frommt es nicht! –
 
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Arm, arm zu sein, bei so viel Schönheitsdurst!
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Erkennen, wissen, hungern und doch nie
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Die Sehnsucht stillen an der Göttin Brust. –
 
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Erkennen, wissen, hungern immerfort –
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Und doch nie kosten von der Schönheit Frucht,
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Die lockt und winkt – o Qual des Tantalus!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.6 KB)

Details zum Gedicht „Schönheit“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
140
Entstehungsjahr
1909
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht mit dem Titel „Schönheit“ stammt von Heinrich Kämpchen, der von 1847 bis 1912 lebte. Der Zeitraum und die stilistischen Züge des Gedichts lassen eine Einordnung in die literarische Epoche des Realismus zu.

Beim ersten Lesen fällt auf, dass das lyrische Ich eine starke Sehnsucht nach Schönheit empfindet, die es jedoch nicht stillen kann, und sich in einer quälend unerfüllten Situation befindet.

Das Gedicht handelt vom unstillbaren Durst des lyrischen Ichs nach Schönheit, der schon seit frühester Jugend besteht und trotz des Alters nicht verschwindet. Dieses Schönheitsstreben wird so intensiv, dass es an den Mythos von Tantalus erinnert, der in der griechischen Mythologie für seine immer unerfüllte Sehnsucht bekannt ist. Das lyrische Ich fühlt sich durch seinen Schönheitsdurst belastet und gleichzeitig durch die Realität des Alltags und der eigenen materiellen Begrenzungen eingeschränkt. Die aufgeführten „sonnigen Gefilde Griechenlands, Neapels Golf und den Vesuv“, Orte von großer kultureller und natürlicher Schönheit, bleiben unerreichbar, symbolisieren aber das Verlangen nach schönen Erlebnissen und dem Ideal der Schönheit.

Formal besteht das Gedicht aus fünf Strophen von ungleicher Länge. Die Verse sind recht lang und erzeugen so das Gefühl einer gewissen Schwere und Intensität, die der starken Sehnsucht und Frustration des lyrischen Ichs entspricht. Zudem sind in dem Gedicht auffallend viele Interpunktionen, insbesondere Gedankenstriche, die die innere Zerrissenheit und den inneren Konflikt verdeutlichen. Auch die Wiederholung gewisser Worte und Phrasen, wie „Schönheitsdurst“, „Erkennen, wissen, hungern“ und „mir frommt es nicht“ verstärken das Ausmaß der Sehnsucht und der quälenden Unerreichbarkeit.

Die Sprache des Gedichts ist bilderreich und enthält viele Metaphern und Anspielungen, insbesondere auf die Mythologie und auf klassische, idealisierte Landschaften. Dies unterstreicht die Idealisierung von Schönheit und den starken Kontrast zwischen dem idealisierten Sehnen und der ungeschmückten Realität des lyrischen Ichs.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Schönheit“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Heinrich Kämpchen. Der Autor Heinrich Kämpchen wurde 1847 in Altendorf an der Ruhr geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1909. Bochum ist der Erscheinungsort des Textes. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das vorliegende Gedicht umfasst 140 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 20 Versen. Weitere Werke des Dichters Heinrich Kämpchen sind „Am Weinfelder Maar“, „Am goldenen Sonntag“ und „An Annette von Droste-Hülshoff“. Zum Autor des Gedichtes „Schönheit“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 165 Gedichte vor.

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