Schwingungen von Joachim Ringelnatz
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„Sprich etwas lauter, Stadtradau! |
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Lautsprecher, Hupe, Schraube, |
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Seid nicht so leise, nicht so flau!“ |
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Sagte der Taube. |
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Er ging durch Donner und Explosion, |
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Ohne daß ihn das störte. |
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In einem hessischen Städtchen |
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Saß er einmal. Und da hörte |
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Er plötzlich einen Ton, |
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Ein Tönchen, das war einem Mädchen |
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In Paris auf der Straße entflohn. |
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Und wie er das Mädchen sich dachte, |
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Verschwiegen arm und schamgeplagt, |
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Hat er ein leises Wort gesagt, |
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Ohne daß er lachte. |
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Kein Nachbar hörte dieses Wort, |
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Doch irgendwer im fernen Ort |
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Eines meergetrennten Landes |
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Hörte es. Und verstand es. |
Details zum Gedicht „Schwingungen“
Joachim Ringelnatz
5
19
93
1932
Moderne,
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das vorliegende Gedicht „Schwingungen“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst, einem deutschen Schriftsteller und Kabarettisten der Weimarer Republik. Ringelnatz, geboren 1883, starb 1934, daher kann man das Gedicht zeitlich in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts einordnen. Die thematische Umsetzung weist auf die damals wachsende Technisierung und Globalisierung hin.
Auf den ersten Blick zeigt das Gedicht scheinbar absurde Szenen und sprachliche Bilder, für die Ringelnatz bekannt ist, und nimmt den Leser mit in eine seltsam komische Welt. Der Taubenerzähler passt teils ins humoristische Werk von Ringelnatz und stellt doch eine klassische lyrische Figur dar.
Im Gedicht „Schwingungen“ erzählt das lyrische Ich, eine Taube, von seiner Interaktion mit der lauten, modernen Welt und wie er auf diese reagiert. Es bittet um mehr Lärm, durchquert Donner und Explosionen ungestört, und hört schließlich einen leisen Ton aus einem hessischen Städtchen, dem Mädchen aus Paris entschlüpft ist.
Diese Wahrnehmung und der Austausch mit der modernen Welt - Stadtlärm, Technologie, Distanzen - finden sich in Ringelnatz' Gedicht. Trotz all dem Lärm kann der Vogel die leisesten, persönlichsten Töne wahrnehmen. Hier wird eine Verbindung zwischen zwei Individuen hergestellt, obwohl sie sich nie begegnet sind und durch geographische Distanz getrennt sind.
Obwohl das Gedicht keinen streng genommenen Reim hat, verleihen die kurzen Zeilen und die unterschiedliche Anzahl von Versen den einzelnen Strophen eine rhythmische Qualität. Die Sprache ist direkt und einfach, mit einigen kreativen Wort- und Satzkonstruktionen, typisch für Ringelnatz' humoristischen Stil. Die bildhafte Sprache und der Gebrauch von Personifikation, vorrangig bei der Taube, erzeugen eine surreale Atmosphäre.
In „Schwingungen“ schafft Ringelnatz damit ein Bild der Vernetzung und Globalisierung, zeigt aber auch die Möglichkeit, über physische Distanzen hinweg zu kommunizieren und sich auf emotionaler Ebene miteinander zu verbinden. Auch wenn das Gedicht auf den ersten Blick humorvoll wirken mag, verbergen sich darunter tiefgreifende Fragen nach Kommunikation, Distanz und Verbindung.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Schwingungen“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joachim Ringelnatz. Ringelnatz wurde im Jahr 1883 in Wurzen geboren. 1932 ist das Gedicht entstanden. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Moderne oder Expressionismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das 93 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 19 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Die Gedichte „Alone“, „Alte Winkelmauer“ und „Alter Mann spricht junges Mädchen an“ sind weitere Werke des Autors Joachim Ringelnatz. Zum Autor des Gedichtes „Schwingungen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.
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