Schneeglöckchen von Louise Otto-Peters

Schneeglöckchen läutet den Frühling ein,
Geweckt vom kosenden Sonnenstrahl,
Im Schneegewande, so schlicht und klein,
Auf zartem Kelche der Hoffnung Mal:
Das fröhliche Grün, das alte Zeichen,
Vom Frühlingskommen und Winterweichen.
 
Rings starres Schweigen – das Glöckchen klingt
Auf zartem Stengel beim leisesten Hauch,
Es scheint zu beten und flüstert und singt
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Das Wort der Weihe nach altem Brauch:
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„Der Lenz ist gekommen, er hat uns gesendet,
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Des Winters Herrschaft sie ist beendet!“
 
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Du kleines Blümchen – falscher Prophet!
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So höhnt dich lächelnd die kluge Welt –
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Ein eisiger Nord durch die Fluren weht,
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Dichtflockig der Schnee vom Himmel fällt.
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Schneeglöckchen beugt sich mit Todesgebärden,
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Flüstert noch sterbend: „Lenz muß es werden!“
 
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Lenz muß es werden – werden gar bald:
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Da naht er siegend mit lauter Grün,
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Vernichtet ringsum des Winters Gewalt,
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Läßt tausend prächtige Blumen blühn –
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Schneeglöckchen brachte zuerst die Kunde
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Jetzt aber fehlt es im blühenden Bunde.
 
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Denn weil es so nah an der Brust der Natur,
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Gefühlt die Schmerzen der ganzen Zeit,
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Drang es hinaus auf die kalte Flur,
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Zu künden jubelnd „Der Lenz befreit!“
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So nahte es liebend um froh zu sterben – –
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Schneeglöckchen – darf ich dein Schicksal erben?
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.2 KB)

Details zum Gedicht „Schneeglöckchen“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
30
Anzahl Wörter
188
Entstehungsjahr
1840-1850
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Schneeglöckchen“ wurde von Louise Otto-Peters verfasst, einer deutschen Schriftstellerin und Frauenrechtlerin des 19. Jahrhunderts. Otto-Peters, die als wichtige Vertreterin der bürgerlichen Frauenbewegung galt, lebte von 1819 bis 1895. Ihren literarischen Schaffen ordnet man dem Realismus zu, einer literarischen Epoche, die von etwa 1850 bis 1890 andauerte.

In diesem Gedicht wird das kleine Schneeglöckchen als Symbol für Hoffnung und Erneuerung dargestellt, weil es als eine der ersten Blumen im Frühling blüht. Obwohl es vom Schnee bedeckt und scheinbar besiegt ist, steht es trotzdem für das vielversprechende Kommen des Frühlings und den Sieg des Lebens über den Tod. Das lyrische Ich identifiziert sich mit dem Schneeglöckchen und wünscht sich, sein Schicksal zu teilen – mutig der Kälte zu trotzen und den Beginn eines neuen Lebens einzuläuten.

Formal betrachtet besteht das Gedicht aus fünf gleich aufgebauten Strophen mit je sechs Versen. Das Reimschema ist jeweils AABBCC. Dies schafft eine harmonische, fließende Atmosphäre und unterstützt die hoffnungsvolle Botschaft des Gedichts.

Sprachlich verwendet Otto-Peters ein reiches Vokabular und poetische Bilder, um eine lebendige, berührende Szene zu zeichnen. So spricht sie etwa vom „lauter Grün“ des Frühlings und vom „zarten Kelche der Hoffnung“. Auffällig ist auch die Verwendung des Verbs „flüstern“, das dem Schneeglöckchen eine fast menschenähnliche Qualität verleiht und eine intime, emotionale Verbindung zwischen dem lyrischen Ich und der Natur herstellt.

Insgesamt interpretiere ich das Gedicht als Ausdruck von Lousie Otto-Peters Hoffnung auf Veränderung und Neubeginn, wie auch in ihrem Kampf für die Frauenrechte. Genau wie das mutige kleine Schneeglöckchen, das trotz der Kälte blüht, hofft sie auf eine bessere Zukunft und ist bereit, sich den Herausforderungen zu stellen.

Weitere Informationen

Die Autorin des Gedichtes „Schneeglöckchen“ ist Louise Otto-Peters. Geboren wurde Otto-Peters im Jahr 1819 in Meißen. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1850 zurück. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Realismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin vorgenommen werden. Die Richtigkeit der Epoche sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das 188 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 30 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Die Dichterin Louise Otto-Peters ist auch die Autorin für Gedichte wie „Allein“, „Am Schluß des Jahres 1849“ und „Am längsten Tage“. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Schneeglöckchen“ weitere 106 Gedichte vor.

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