Schlußrede zu einem Trauerspiele von Gotthold Ephraim Lessing

Euch, die Geschmack und Ernst und was nur Weise rührt,
Die Tugend und ihr Lohn, ins Trauerspiel geführt,
Euch macht Melpomene durch künstliches Betrügen
Beklemmtes Herz zur Lust und Mitleid zum Vergnügen.
Ihr fühlt es, was ein Held, der mit dem Schicksal ficht,
Und mit Affekten kämpft, in schweren Worten spricht;
Ihr folgt ihm durch den Kampf, mit gleich geteilten Trieben
Zu hassen, wenn er haßt, und wenn er liebt, zu lieben.
Ihr hofft, ihr tobt mit ihm; ihr teilt sein Weh und Wohl
10 
Und kurz ihr habt das Herz, wie man es haben soll.
11 
Schämt euch der Wehmut nicht, die feucht im Auge schimmert,
12 
Gönnt ihr, ach! gönnet ihr den Ausbruch! Unbekümmert,
13 
Ob Wesen oder Schein, ob Wahrheit oder Trug,
14 
Den Panzer um das Herz mit süßer Macht zerschlug.
15 
Die Gottheit des Geschmacks zählt jedes Kenners Zähre
16 
Und hebt sie teuer auf, zu sein und unsrer Ehre.
17 
Zu unsrer Ehre? – Ja, als Teil an unserm Lohn,
18 
Durch der Gebärden Reiz, durch Mienen, Tracht und Ton,
19 
Und durch die ganze Kunst ruhmvoller Heuchlergaben,
20 
Der Tadelsucht zum Trotz! sie euch erpreßt zu haben.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.9 KB)

Details zum Gedicht „Schlußrede zu einem Trauerspiele“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
182
Entstehungsjahr
nach 1745
Epoche
Aufklärung

Gedicht-Analyse

Das Gedicht mit dem Titel „Schlußrede zu einem Trauerspiele“ stammt vom Dichter Gotthold Ephraim Lessing, der von 1729 bis 1781 lebte. Damit ist es in die Epoche der Aufklärung einzuordnen.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht sehr formell und schwer zugänglich, was der Gestaltungsweise Lessings und dem historischen Kontext zuzuschreiben ist.

Inhaltlich spricht das lyrische Ich seine Zuhörer an, vermutlich die Zuschauer eines eben beendeten Trauerspiels. Er lobt ihre Fähigkeit zur Empathie und ermutigt sie, ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Die Rede appelliert an den Geschmack und das Urteilsvermögen des Publikums und fordert auf, sich aller Gefühle zu öffnen und diese zu teilen, auch wenn sie Schmerz und Trauer beinhalten. Das lyrische Ich sieht in dieser emotionalen Beteiligung ein Zeichen von Weisheit und Tugend und preist sie als Zeichen von Stärke und Ehrlichkeit. Es betont ferner die Macht der darstellenden Künste, eben diese emotionalen Reaktionen hervorzurufen.

Das Gedicht besteht formal aus einem umfangreichen, einzelnen 20-zeiligen Vers, der in Reimen gestaltet ist, jedoch ist keine klassische Versform erkennbar. Der Sprachstil ist anspruchsvoll und verwendet ein hohes Register, was zum damaligen gesellschaftlichen Kontext passt, da Literatur oft als elitäre Form der Kunst betrachtet wurde. Einige der Ausdrücke und Wendungen weisen auf eine Allegorie hin, indem das lyrische Ich Bezug auf die griechische Göttin der Tragödie und des Gesangs, Melpomene, nimmt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Lessing in diesem Gedicht das Publikum aufruft, die tieferen Gefühle und Sinneseindrücke, die durch das Theater hervorgerufen werden, zu erkennen und zu würdigen, und dabei die Macht und Schönheit der darstellenden Künste feiert. Gleichzeitig erinnert er daran, dass emotionale Reaktionen auf die Kunst legitim sind und das emotionale Erlebnis ein wichtiger Bestandteil der Kunstbetrachtung ist.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Schlußrede zu einem Trauerspiele“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Gotthold Ephraim Lessing. Der Autor Gotthold Ephraim Lessing wurde 1729 in Kamenz (Sachsen) geboren. Im Zeitraum zwischen 1745 und 1781 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Frankfurt a. M.. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Aufklärung zugeordnet werden. Bei Lessing handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 182 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 20 Versen mit nur einer Strophe. Weitere bekannte Gedichte des Autors Gotthold Ephraim Lessing sind „An den Marull“, „An einen Autor“ und „Auf Frau Trix“. Zum Autor des Gedichtes „Schlußrede zu einem Trauerspiele“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 37 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Gotthold Ephraim Lessing

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Gotthold Ephraim Lessing und seinem Gedicht „Schlußrede zu einem Trauerspiele“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Gotthold Ephraim Lessing (Infos zum Autor)

Zum Autor Gotthold Ephraim Lessing sind auf abi-pur.de 37 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.