Schlaflose Nacht von Klabund

Übermüdet, schlaflos lieg ich in den Decken,
Schon malt der junge Tag lichtgraue Flecken
Auf Ofen, Stuhl und Lampenknauf.
Das Fenster steht sperrangelauf.
Ein Hund läuft über den Asphalt, sein Halsband klappert.
Es tickt wo eine Uhr. Der Bäckerjunge tappert
Und schleppt im Sack Verschlafenheit und Bemme.
Von nebenan schwirrt, summt aus der Kaschemme
Ein trübes Lied auf trübgestimmter Zither.
10 
Die Zunge jappt im Gaumen rauh und bitter,
11 
Ich hole dürstend Glas mir und Karaffe –
12 
Da ist die Sonne jenseits aufgetaucht,
13 
Von rosagelbem Wolkendampf umraucht,
14 
Und formt im Glase eine Goldagraffe,
15 
Als wolle sie die letzten grauen Schlangen
16 
Der Nacht mit einer goldnen Schlinge fangen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.2 KB)

Details zum Gedicht „Schlaflose Nacht“

Autor
Klabund
Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
105
Entstehungsjahr
1913
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Schlaflose Nacht“ wurde von dem deutschen Schriftsteller und Lyriker Alfred Henschke, besser bekannt unter seinem Pseudonym Klabund, verfasst. Klabund lebte von 1890 bis 1928 und war ein prägender Vertreter des Expressionismus in der deutschen Literatur. Das besprochene Gedicht lässt sich also zeitlich in die expressionistische Phase im frühen 20. Jahrhundert einordnen.

Der erste Eindruck vermittelt eine gedrückte, melancholische Stimmung. Der Leser wird in die nächtliche Welt des lyrischen Ichs entführt. Es beginnt mit einer Schilderung des körperlichen Unbehagens, der Schlaflosigkeit, die sich in Übermüdung ausdrückt. Die Nacht schreitet fort und der Morgen bricht langsam herein, begleitet von alltäglichen Geräuschen und Beobachtungen. Trotz des heraufziehenden Tages kann das lyrische Ich keine Erleichterung oder Befreiung aus seinem dunklen Zustand finden.

Das Gedicht versucht das Gefühl der Schlaflosigkeit und der darauf folgenden Erschöpfung adäquat zu vermitteln. Es ist klar, dass das lyrische Ich unter dieser Situation leidet. Die Worte von Klabund gewähren sowohl Einblicke in die äußere Welt als auch in die innere Welt des lyrischen Ichs. Dabei wird im Verlauf der Verse der Übergang von Nacht zu Morgen thematisiert, und es bleibt die Frage, ob die neue Tageszeit Hoffnung oder nur weitere Erschöpfung für das lyrische Ich hervorbringt.

Formal besteht das Gedicht aus vier Versen in Paarreimen, was das Lesen angenehm macht und einen harmonischen Rhythmus vermittelt. Trotz der deprimierenden Stimmung, die inhaltlich dominiert, sorgt die Form für eine Art Widerspruch, der den Leser zum Nachdenken anregt.

Die Sprache des Gedichts ist recht einfach und direkt, dennoch wirken die Bilder, die Klabund erschafft, sehr stimmungsvoll und intensiv. Mit seiner präzisen und anschaulichen Sprache vermittelt er die trostlose Stimmung und die Verzweiflung the lyrischen Ichs eingängig. Gleichzeitig zeigt er die Schönheit des banalen Alltags, den das lyrische Ich beobachtet, während es unter der nächtlichen Schlaflosigkeit leidet. Damit spielt Klabund mit einem Kontrast von Dunkelheit und Helligkeit, von Tiefsinn und Trivialität. Durch die metaphorische Goldagraffe am Ende, mit der die Sonne die letzen grauen Schlangen der Nacht zu fangen scheint, lässt er den Leser auf einen hoffnungsvollen Ausklang und somit auf die erlösende Ruhe nach der „schlaflosen Nacht“ hoffen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Schlaflose Nacht“ des Autors Klabund. Klabund wurde im Jahr 1890 in Crossen an der Oder geboren. Im Jahr 1913 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Berlin. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Moderne oder Expressionismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das 105 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 16 Versen mit nur einer Strophe. Weitere bekannte Gedichte des Autors Klabund sind „Altes Reiterlied“, „Ausmarsch“ und „Ballade“. Zum Autor des Gedichtes „Schlaflose Nacht“ haben wir auf abi-pur.de weitere 139 Gedichte veröffentlicht.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Weitere Gedichte des Autors Klabund (Infos zum Autor)

Zum Autor Klabund sind auf abi-pur.de 139 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.