Schindluder von Joachim Ringelnatz

Es war ein Pferd, das war ergraut
Und wurde deshalb abgebaut.
Man nahm zuerst ihm seine Haut.
O nein, da liegt ein Irrtum vor,
Weil es zuvor den Schwanz verlor.
 
Es schleppte Lasten, schwitzte Blut.
Das Roßfleisch schmeckt dem Hunger gut.
 
Die Peitsche hieb auf mürbe Knochen.
 
Dann ist das Pferd zusammenbrochen.
 
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Aus dem Kadaver aber floh
11 
Ein Pegasus, der furzte froh.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (23.8 KB)

Details zum Gedicht „Schindluder“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
11
Anzahl Wörter
62
Entstehungsjahr
1932
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Schindluder“ wurde verfasst von Joachim Ringelnatz, einem der bekanntesten deutschen Kabarettisten und Schriftsteller der Weimarer Republik. Seine Werke sind größtenteils der literarischen Moderne zuzuordnen, insbesondere der Epoche des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit.

Auf den ersten Eindruck liest sich das Gedicht provokant und satirisch, gleichzeitig aber auch tragisch und bitter. Es handelt in metaphorischer Form von Ausbeutung, Grausamkeit und der Wandlung von Leid in etwas Positives.

Im Detail erzählt das lyrische Ich von einem Pferd, das zuerst absichtlich vernachlässigt, dann ausgebeutet und schließlich seiner Bestandteile beraubt wird. Die Drastik, mit der die Misshandlung des Tieres geschildert wird, vermittelt uns die Aussage: unerbittliche Ausbeutung bis zur vollständigen Zerstörung ist unmenschlich und grausam. Erschreckend ist vor allem die Gleichgültigkeit, mit der die Umgebung auf das Leiden des Pferdes reagiert. Am Ende jedoch, nachdem das Pferd gestorben ist und nichts mehr als sein Kadaver übrig bleibt, entsteigt ihm ein Pegasus - ein fantastisches, mythisches Wesen, das über das Elend triumphiert und mit seinem fröhlichen Furzen Freude und Leichtigkeit verkörpert.

Formal besteht das Gedicht aus fünf Strophen mit variierender Verszahl. Es verfügt über keinen konsequenten Reimplan oder Metrum, was seinen spontanen, launenhaften Charakter unterstreicht. Die Sprache ist klar und direkt, teils umgangssprachlich und geprägt von einer bildhaften, derben Symbolik. Die drastische Beschreibung der Misshandlungen sorgt für einen starken Kontrast zur humorvollen, frechen Schlusswendung.

Dementsprechend könnte man interpretieren, dass die Komik und Derbheit, die Ringelnatz typischerweise charakterisiert, in diesem Gedicht als ironische Distanzierung dient, um uns das Tragische und Ungerechte der geschilderten Situation bewusst zu machen. Das Gedicht ist somit auch ein Appell an unsere Menschlichkeit und ein Plädoyer für einen verantwortungsvollen und respektvollen Umgang mit unseren Mitgeschöpfen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Schindluder“ des Autors Joachim Ringelnatz. Im Jahr 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1932. Der Erscheinungsort ist Berlin. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 11 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 62 Worte. Der Dichter Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „Abglanz“, „Abschied von Renée“ und „Abschiedsworte an Pellka“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Schindluder“ weitere 560 Gedichte vor.

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