Schiffer-Sentiment von Joachim Ringelnatz

Gelb das Wasser und der Himmel grau.
Neben mir hockt eine alte Wachtel,
Alte Dame oder alte Frau,
Zählt zum zehnten Male ganz genau
Geld aus einer Zigarettenschachtel.
 
Grog tut wohl, und alte Frau tut weh.
Ich muß fort. Ich stoße meinen Kutter
Ungern in die trübe, gelbe,
Ganz genau so mißgelaunte See. –
 
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Liebe Zeit! Es ist doch stehts dieselbe,
11 
Jedermannes arme alte Mutter.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (23.8 KB)

Details zum Gedicht „Schiffer-Sentiment“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
11
Anzahl Wörter
64
Entstehungsjahr
1933
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht nennt sich „Schiffer-Sentiment“ und wurde verfasst von Joachim Ringelnatz, einem bekannten deutschen Autor und Kabarettist, der im Zeitraum von 1883 bis 1934 lebte. Somit kann man das Gedicht in die literarische Epoche der Neuen Sachlichkeit (Weimar Republik) einordnen.

Der erste Eindruck des Gedichtes ist geprägt von einer melancholischen und nachdenklichen Stimmung, die sich durch die gesamte Komposition zieht. Stereotype maritime Bilder wie das gelbe Wasser oder der graue Himmel vermitteln eine triste und irgendwie bedrückende Atmosphäre, die von der Anwesenheit einer älteren Person, womöglich einer Seniorin, bekräftigt wird.

Inhaltlich beschreibt das Gedicht eine Szene, in welcher das lyrische Ich neben einer älteren Dame sitzt, die Geld aus einer Zigarettenschachtel zählt. Die Dame bereitet dem lyrischen Ich offenbar Unbehagen, woraufhin es beschließt, mit seinem Boot, dem Kutter, auf das Meer hinaus zu fahren. Das Meer wird dabei als ebenfalls misstrauisch und unbehaglich beschrieben - eine Parallele zum bisherigen Setting.

Die Aussage des lyrischen Ichs scheint ambivalent zu sein. Einerseits scheint es die alte Dame ablehnen. Andererseits dichtet das lyrische Ich in der letzten Strophe jedoch: „Jedermannes arme alte Mutter“. Es könnte hier eine allgemeine emotionale Distanz und Unbehagen gegenüber dem Älterwerden und dem Konzept des Alterns angesprochen werden, das alle Menschen betrifft. Auch das Meer als zentrales Symbol des Gedichts kann als Metapher für das Unbekannte und Mysteriöse, vielleicht sogar Angsteinflößende des Lebensabends verstanden werden.

Form und Sprache des Gedichts sind relativ einfach und unprätentiös. Es handelt sich um drei Strophen unterschiedlicher Länge - die erste mit fünf, die zweite mit vier und die dritte mit zwei Versen. Die Sprache ist direkt und knapp, ohne elaborierte sprachliche Bilder oder Metaphern. Interessant ist die wiederholte Verwendung der Farbe Gelb, die sowohl das Meer als auch die Stimmung des lyrischen Ichs charakterisiert. Auch die Anrede „alte Dame“ oder „alte Frau“ wird mehrfach wiederholt, was das Thema Alter und Vergänglichkeit unterstreicht.

Zusammengefasst kann „Schiffer-Sentiment“ von Joachim Ringelnatz als eine Reflexion über das Altern und die menschliche Erfahrung von Alter und Vergänglichkeit verstanden werden.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Schiffer-Sentiment“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joachim Ringelnatz. Im Jahr 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1933 entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Berlin. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Moderne oder Expressionismus zu. Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 64 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 11 Versen. Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „Abendgebet einer erkälteten Negerin“, „Abermals in Zwickau“ und „Abgesehen von der Profitlüge“. Zum Autor des Gedichtes „Schiffer-Sentiment“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.

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