Schicksal von Frank Wedekind

Stürme durchtoben die bange Brust;
Stürmisches Leid und stürmische Lust
Sausen hindurch mit schaurigem Wehen,
Schleudern mich aus des Mißgeschicks Nacht
Auf zu des Glückes sonnigen Höhen.
Sprachlos begaff’ ich die strahlende Pracht,
Schau’ ich des Weibes hehre Gestalt,
Wie sie die Träume der Jugend verheißen,
Und es ergreift mich, mit blinder Gewalt
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An die pochende Brust sie zu reißen.
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Sie aber zieht mich auf schwellende Kissen,
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Preßt mich an ihren üppigen Leib,
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Und überwältigt von wilden Genüssen
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Halt’ ich umklammert das schöne Weib.
 
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Siehe da, gleich einem wogenden Meer
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Wälzt sich gewaltig das Unglück her.
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Jäh zerschmetternde Blitze flammen
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Nieder aus düsterem Wolkenthron;
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Über dem trunkenen Erdensohn
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Schlagen die schäumenden Fluten zusammen. – –
 
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Als die Sonne wiederum schien,
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Gleitet ein Nachen darüber hin.
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Schimmernd steigt aus der Wellen Gischt
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Ein Regenbogen, der bald erlischt;
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Von dem Verunglückten fand sich nischt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.8 KB)

Details zum Gedicht „Schicksal“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
25
Anzahl Wörter
140
Entstehungsjahr
1905
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht mit dem Titel „Schicksal“ wurde von Frank Wedekind, einem deutschen Dramatiker und Lyriker, verfasst, der im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert lebte.

Bei der ersten Betrachtung des Gedichts werden starke Emotionen und kraftvolle, manchmal auch gewaltvolle Bilder erkennbar. Der Inhalt ist gekennzeichnet durch Stürme und Meer, Glück und Katastrophe, Liebe und Verlust, die metaphorisch für das Leben und das menschliche Schicksal stehen.

In der ersten Strophe spricht das lyrische Ich von stürmischem Leid und Lust, von der Begegnung mit einer Frau und von intensiven körperlichen Erlebnissen. Man kann interpretieren, dass es sich hierbei um eine Metapher für die Aufs und Abs im Leben, die intensiven Erfahrungen von Schmerz und Freude handeln könnte.

Die zweite Strophe bringt die abrupte Wendung des Schicksals zum Ausdruck. Anstelle der freudvollen, sinnlichen Erfahrung tritt nun Unglück ein, dargestellt durch zerstörerische Blitze und schäumende Fluten, möglicherweise ein Sinnbild für Verlust oder Tod.

Die dritte und letzte Strophe zeigt den Erdensohn nach der Katastrophe, als die Sonne wieder scheint und ein Boot scheinbar leer über das Meer gleitet. Das Bild des erlöschenden Regenbogens und der leeren Nachen impliziert das Verschwinden und den Tod.

Hinsichtlich der Form fällt auf, dass das Gedicht in drei ungleichen Strophen unterteilt ist, was die verschiedenen Phasen des Schicksals unterstreicht - die intensiven Erfahrungen des Lebens, das abrupte Unglück und das folgende Stille und Leersein nach der Katastrophe.

Die Sprache, die Wedekind verwendet, ist geprägt von bildreichen und metaphernreichen Ausdrücken. Er nutzt starke, gewaltige Begriffe wie „stürmisches Leid“, „pochende Brust“, „schäumende Fluten“. Diese Wortwahl erzeugt eine energetische und dynamische Stimmung, die den leidenschaftlichen und oftmals schmerzhaften Zustand des menschlichen Daseins darstellt. Dies bezeugt Wedekinds Fähigkeit, starke Emotionen und Erlebnisse durch Worte auszudrücken und den Leser direkt in das aufgewühlte Meer des schicksalhaften Lebens mitzureißen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Schicksal“ des Autors Frank Wedekind. Geboren wurde Wedekind im Jahr 1864 in Hannover. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1905. Erschienen ist der Text in München. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Moderne zu. Wedekind ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 140 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 25 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Der Dichter Frank Wedekind ist auch der Autor für Gedichte wie „Allbesiegerin Liebe“, „Alte Liebe“ und „Altes Lied“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Schicksal“ weitere 114 Gedichte vor.

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