Schelm von Bergen von Heinrich Heine
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Im Schloß zu Düsseldorf am Rhein |
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Wird Mummenschanz gehalten; |
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Da flimmern die Kerzen, da rauscht die Musik, |
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Da tanzen die bunten Gestalten. |
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Da tanzt die schöne Herzogin, |
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Sie lacht laut auf beständig; |
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Ihr Tänzer ist ein schlanker Fant, |
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Gar höfisch und behendig. |
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Er trägt eine Maske von schwarzem Sammt, |
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Daraus gar freudig blicket |
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Ein Auge, wie ein blanker Dolch, |
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Halb aus der Scheide gezücket. |
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Es jubelt die Fastnachtsgeckenschaar, |
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Wenn Jene vorüberwalzen. |
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Der Drickes und die Marizzebill |
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Grüßen mit Schnarren und Schnalzen. |
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Und die Trompeten schmettern drein, |
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Der närrische Brummbaß brummet, |
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Bis endlich der Tanz ein Ende nimmt |
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Und die Musik verstummet. |
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„Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir, |
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Ich muß nach Hause gehen –“ |
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Die Herzogin lacht: Ich laß dich nicht fort, |
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Bevor ich dein Antlitz gesehen. |
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„Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir, |
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Mein Anblick bringt Schrecken und Grauen –“ |
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Die Herzogin lacht: Ich fürchte mich nicht, |
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Ich will dein Antlitz schauen. |
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„Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir, |
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Der Nacht und dem Tode gehör’ ich –“ |
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Die Herzogin lacht: Ich lasse dich nicht, |
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Dein Antlitz zu schauen begehr’ ich. |
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Wohl sträubt sich der Mann mit finsterm Wort, |
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Das Weib nicht zähmen kunnt’ er; |
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Sie riß zuletzt ihm mit Gewalt |
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Die Maske vom Antlitz herunter. |
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Das ist der Scharfrichter von Bergen! so schreit |
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Entsetzt die Menge im Saale |
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Und weichet scheusam – die Herzogin |
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Stürzt fort zu ihrem Gemahle. |
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Der Herzog ist klug, er tilgte die Schmach |
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Der Gattin auf der Stelle. |
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Er zog sein blankes Schwert und sprach: |
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Knie vor mir nieder, Geselle! |
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Mit diesem Schwertschlag mach’ ich dich |
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Jetzt ehrlich und ritterzünftig, |
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Und weil du ein Schelm, so nenne dich |
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Herr Schelm von Bergen künftig. |
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So ward der Henker ein Edelmann |
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Und Ahnherr der Schelme von Bergen. |
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Ein stolzes Geschlecht! es blühte am Rhein. |
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Jetzt schläft es in steinernen Särgen. |
Details zum Gedicht „Schelm von Bergen“
Heinrich Heine
13
52
293
vor 1851
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Schelm von Bergen“ wurde von Heinrich Heine geschrieben, einem bedeutenden Dichter der deutschen Romantik, der zwischen 1797 und 1856 lebte.
Auf den ersten Eindruck scheint das Gedicht ein lebendiges Bild von einem Maskenball in einem Schloss zu zeichnen, das von feierlicher Musik und Tanz dominiert wird. Die Hauptfiguren des Gedichts sind eine Herzogin und ihr Tanzpartner, der sich mit einer schwarzen Samtmaske tarnt.
Das Gedicht handelt im Wesentlichen von einem Maskenball, bei dem eine ahnungslose Herzogin mit einem geheimnisvollen und charismatischen Mann tanzt, der als „schlank und behendig“ beschrieben wird. Das geheimnisvolle Alter Ego des Tänzers wird jedoch entlarvt, als die neugierige Herzogin ihn zwingt, seine Maske abzunehmen und er als Henker von Bergen erkannt wird. Unerwartet wird der Henker vom Herzog zum Ritter geschlagen, um die durch den Tanz entstandene gesellschaftliche Schande zu tilgen. Er erhält den Titel Herr Schelm von Bergen und wird der Gründer eines stolzen Geschlechts.
Inhaltlich thematisiert das lyrische Ich die Macht von Masken und Identität, den Wert des sozialen Prestiges und die Grenzen von sozialer Mobilität und Klassenunterschieden. Das Gedicht betont, wie die abenteuerlustige Herzogin die sozialen Barrieren durchbricht, indem sie mit einem Mann tanzt, was zu einer bedeutenden Verschiebung in den gesellschaftlichen Normen führt.
Form und Sprache sind relativ einfach gehalten und folgen einem regelmäßigen Reimschema. Jede Strophe besteht aus vier Zeilen, wobei sich die erste und zweite sowie die dritte und vierte Zeile jeweils reimen (Kreuzreim). Das Gedicht ist in einem erzählenden Ton verfasst, was den Leser durch die Handlung führt. Die Sprache trägt zur Atmosphäre der opulenten Feierlichkeit und zugleich des Mysteriums bei, die sich schließlich schlagartig ändert, als die wahre Identität des Tänzers enthüllt wird.
Obwohl das Gedicht im 19. Jahrhundert verfasst wurde, behandelt es Themen, die bis heute relevant sind, wie gesellschaftliche Normen und Klassenunterschiede, die in Heines Werk oft untersucht und unterschwellig kritisiert werden.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Schelm von Bergen“ des Autors Heinrich Heine. Im Jahr 1797 wurde Heine in Düsseldorf geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1851. Der Erscheinungsort ist Hamburg. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Heine ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 293 Wörter. Es baut sich aus 13 Strophen auf und besteht aus 52 Versen. Heinrich Heine ist auch der Autor für Gedichte wie „Almansor“, „Als ich, auf der Reise, zufällig“ und „Alte Rose“. Zum Autor des Gedichtes „Schelm von Bergen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 535 Gedichte vor.
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