San Pietro in Montorio von Marie Eugenie Delle Grazie

Von Perlen blinkt’s im Gras und Purpursunken
Durchirren, rings zerstreut, den Himmelsraum –
Ein letztes, warmes Glüh’n noch und versunken
Ist das Gestirn des Tag’s im Wolkenflaum.
 
Welch’ ahnungsvoll-geheimnisschweres Flüstern
In schlanker Pinien dunklem Astgespreiz,
In diesem traumhaft-plötzlichen Umdüstern
Des Firmament’s – welch’ mystisch-süßer Reiz!
 
Da liegt es, hingedehnt zu meinen Füßen,
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Das ernste Rom, so stolz und hoheitsvoll,
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Noch flimmert’s von des Lichtes Scheidegrüßen
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Um seine Kuppeln und das Kapitol!
 
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So laut mein Herz.... wie trunken schreit’ ich weiter,
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Und schreite durch das altersgraue Thor –
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Mit blassem Silberschein folgt als Begleiter
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Der Stern der Lieb’ mir durch deu Wolkenflor.
 
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Von fern’ ertönen weiche Knabenstimmen,
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Wie jagt mein Puls – wie schwer und bang’ die Brust –
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Im Auge fühl’ ich heiße Thränen schwimmen,
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Und dennoch jauchzt die Seele mir vor Lust....
 
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Gemach verathmen Worte und Gesänge,
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Die Lüste geh’n so weich, so frühlingswarm
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Und ahnungsvoll mir aber ist, als schlänge
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Ein namenloses Glück um mich den Arm!
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „San Pietro in Montorio“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
160
Entstehungsjahr
1892
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht San Pietro in Montorio wurde von Marie Eugenie Delle Grazie geschrieben, die zwischen 1864 und 1931 lebte. Eine zeitliche Einordnung dieser Dichterin und ihrer Werke würde also ins späte 19. und frühe 20. Jahrhundert fallen, eine Periode, die allgemein als die Epoche des Naturalismus, Symbolismus und schließlich Expressionismus in der Literatur angesehen wird.

Beim ersten Lesen des Gedichts entsteht der Eindruck von Melancholie, Sehnsucht und Erhabenheit. Das lyrische Ich befindet sich in der natürlichen und baukünstlerischen Schönheit der Umgebung von San Pietro in Montorio und beschreibt eine Landschaft sowie die durchdringende Stimmung eines Abends.

In Inhalt des Gedichts ist das Erleben und Gefühl des lyrischen Ichs in dieser Atmosphäre. Es geht um die Wahrnehmung der Natur, des Himmels und des historischen Stadtbildes von Rom, gekoppelt mit tiefgreifenden Gefühlen und Empfindungen. Das lyrische Ich ist von der Schönheit der Beobachtung ergriffen und darüber hinaus von einer tiefen Emotion überwältigt, die von Ehrfurcht über Trunkenheit bis hin zu Tränen und Glücksgefühl reicht.

Formal besteht dieses Gedicht aus sechs vierzeiligen Strophen mit wechselnder Reimstruktur. Die Sprache ist bildhaft und reich an Metaphern. Es gibt auch ein hohes Maß an Emotionalität und Intensität, sowohl in der Wortschatzwahl als auch in den geäußerten Gefühlen und Wahrnehmungen. Die Verwendung von Adjektiven wie „geheimnisschwer“, „mystisch-süß“, „stolz“, „hoheitsvoll“, sowie der kontrastierenden Empfindungen wie bangen, weinen und doch voller Freude zu sein, verleihen dem Text eine Tiefe und Komplexität, die den Leser in die gleiche emotionale Landschaft versetzt, die das lyrische Ich durchlebt.

Schließlich ist es wichtig zu beachten, dass Delle Grazie eine österreichische Dichterin war und das Gedicht daher auch im Kontext der modernen österreichischen Lyrik betrachtet werden kann, die durch ihre hohe Sensibilität und tiefgründige Hingabe an Natur und Emotion gekennzeichnet ist.

Weitere Informationen

Die Autorin des Gedichtes „San Pietro in Montorio“ ist Marie Eugenie Delle Grazie. 1864 wurde Delle Grazie in Weißkirchen (Bela Crkva) geboren. 1892 ist das Gedicht entstanden. Leipzig ist der Erscheinungsort des Textes. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Bei Delle Grazie handelt es sich um eine typische Vertreterin der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 160 Worte. Die Gedichte „Addio a Capri“, „Apoll vom Belvedere“ und „Arco naturale“ sind weitere Werke der Autorin Marie Eugenie Delle Grazie. Zur Autorin des Gedichtes „San Pietro in Montorio“ haben wir auf abi-pur.de weitere 71 Gedichte veröffentlicht.

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