Rückkehr zweier Thüringer aus England von Joachim Ringelnatz

Goodbye. I go,
Anybody to irgendwo.
Lebe wohl, du Land, das ich verehre!
 
On the pier winks no girl, no man.
Oh, the Channel is larger than
Many many Meere.
 
Only altogether was to me
The only English friend.
And it seems to be
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Und muß wohl so sein:
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Unser Kontinent hat einen wärmeren Sonnenschein.
 
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Dennoch komme ich aus guter Zeit.
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England was light and was polite.
 
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England is a happy land,
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Und es braucht uns nicht,
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And it doesn’t understand,
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Was aus foreign Herzen sucht und spricht.
 
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Wenn es wüßte!
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Das Schiff rollt. Es entschwindet die Küste.
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Ich fühle mich frei.
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England, goodbye!
 
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Der Andere
 
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Nun war ich drüben überm Kanal
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In London, fast eine Woche.
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Nun fahre ich nach Schnepfental.
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Für mich beginnt nun wieder einmal
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Eine Epoche.
 
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Muß ich auch für das letzte Stück
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Einen Personenzug nehmen,
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Nur in der Ferne liegt das Glück,
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Durchaus nicht im Bequemen.
 
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Anni ist Anni und immer ganz Ohr
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Für Worte, wie ich sie wähle.
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Nun stelle ich mir in Gedanken vor,
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Wie ich ihr von London erzähle.
 
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Ich habe studiert und photographiert –
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Die Bilder kann ich auch zeigen.
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Ich wollte nur, ich wäre blasiert.
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Dann könnte ich unterwegs schweigen.
 
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So aber bin ich zu mitteilsam,
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Fast wie ein unmündiger Knabe.
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Es ist beschämend und doch sehr heilsam,
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Daß ich schreckliches Heimweh habe.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.2 KB)

Details zum Gedicht „Rückkehr zweier Thüringer aus England“

Anzahl Strophen
12
Anzahl Verse
43
Anzahl Wörter
223
Entstehungsjahr
1929
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Rückkehr zweier Thüringer aus England“ wurde von Joachim Ringelnatz, einem deutschen Schriftsteller und Kabarettist, der von 1883 bis 1934 lebte, verfasst. Das Werk stammt wahrscheinlich aus dem späten Anfang des 20. Jahrhunderts, eine Ära, in der die Mobilität sowie das internationale Reisen immer zugänglicher wurden.

Beim ersten Lesen des Gedichts fällt eine Mischung aus Deutsch und Englisch auf, was darauf hindeuten könnte, dass das lyrische Ich in beiden Kulturen verwurzelt ist oder zumindest intensive Erfahrungen mit beiden gemacht hat. Auch die Sehnsucht und das kommende Abschiednehmen werden bereits angedeutet.

Die ersten sechs Strophen (Vers 1 - 21) erzählen die Abschiedsgeschichte des ersten Thüringers von England. Er verabschiedet sich von England und den Menschen und schaut auf die emotionale Distanz - das „the Channel is larger than / Many many Meere“ - die zwischen ihm und England liegt. Er stellt fest, dass Kontinentaleuropa einen „wärmeren Sonnenschein“ hat, aber dennoch erinnert er sich an die gute Zeit in England. Er bemerkt auch, dass England ihn nicht braucht und ihn nicht versteht. In der sechsten Strophe segelt er schließlich davon, fühlt sich frei und verabschiedet sich.

Strophe sieben und acht (Vers 22 - 27) führen den zweiten Thüringer ein, der gerade eine Woche in London verbracht hat und nun nach Deutschland zurückkehrt. Er nimmt den Zug und ist freudig. Obwohl das Glück fern liegt, ist es nicht im „Bequemen“. Er ist begierig darauf, seine Geschichten und Erlebnisse zu teilen, zeigt aber auch Bedauern, dass er nicht gelassen (blasiert) ist, da er sich dann zurückhalten könnte. Er endet damit, dass er trotz seiner Freude ein starkes Heimweh hat.

Formal ist das Gedicht gleichmäßig aufgebaut, mit einer Mischung aus kurzen und längeren Strophen. Die Sprache ist einfach, klar und direkt, mit einer Mischung aus Deutsch und Englisch, was die internationalen Erfahrungen und Spannungen des lyrischen Ichs widerspiegelt. Die Wiederholung von bestimmten Phrasen („England, goodbye!“) verstärkt das Gefühl des Abschieds und das Verlangen nach der Heimat. Insgesamt ist das Gedicht eine Darstellung der innenwohnenden Spannung zwischen dem Gefühl der Fremdheit und der Sehnsucht nach der Heimat. Diese Spannung zeigt sich in der Sprache, die sowohl Deutsch als auch Englisch als Ausdruck eines biculturalen Lebensstils verwendet.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Rückkehr zweier Thüringer aus England“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joachim Ringelnatz. Ringelnatz wurde im Jahr 1883 in Wurzen geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1929 entstanden. Erschienen ist der Text in Berlin. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 223 Wörter. Es baut sich aus 12 Strophen auf und besteht aus 43 Versen. Die Gedichte „Abendgebet einer erkälteten Negerin“, „Abermals in Zwickau“ und „Abgesehen von der Profitlüge“ sind weitere Werke des Autors Joachim Ringelnatz. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Rückkehr zweier Thüringer aus England“ weitere 560 Gedichte vor.

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