Rückkehr in die Zeit von Karl Kraus

Mein Zeiger ist zurückgewendet,
nie ist Gewesnes mir vollendet
und anders steh’ ich in der Zeit.
In welche Zukunft ich auch schweife
und was ich immer erst ergreife,
es wird mir zur Vergangenheit.
 
Und allem, was an Schmach und Schöne
als Bilder ich bewahr’ und Töne,
dem bin ich ewig untertan.
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Ich sitze bei der Schicksalsspinne
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und was sie immer mir beginne,
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ich seh’ es mir von außen an.
 
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Bin meines Werdegangs Behälter
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und schaue alle Jüngern älter
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und fühle in den Tod mich jung.
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Und ich entwirre das Gewebe
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und was ich immer noch erlebe,
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erleb’ ich als Erinnerung.
 
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Ich bin mein treuester Begleiter
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und lebe das Gelebte weiter,
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und Neues kann mir nicht geschehn.
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Von einem Urbild war gesegnet,
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was mir zum erstenmal begegnet,
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und ist mir wie ein Wiedersehn.
 
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Bei einem nie gehörten Klange
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wird mir nach meiner Vorzeit bange,
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wird Niegesehnes nahe sein.
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Und wenn ich einmal auf der Bahre
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in unbekannte Länder fahre,
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dann tret’ ich in das Leben ein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25 KB)

Details zum Gedicht „Rückkehr in die Zeit“

Autor
Karl Kraus
Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
30
Anzahl Wörter
165
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Moderne,
Expressionismus,
Avantgarde / Dadaismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Rückkehr in die Zeit“ ist ein Werk des österreichischen Schriftstellers und Journalisten Karl Kraus, der von 1874 bis 1936 lebte. Kraus war bekannt für seine satirischen und kritischen Schriften und gilt als einer der bedeutendsten österreichischen Autoren des 20. Jahrhunderts.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht recht melancholisch und introspektiv. Es befasst sich offensichtlich mit Reflexionen über die Zeit, das Altern und die Erinnerung.

Thematisch geht es um die Reflexion des lyrischen Ichs über seine Vergangenheit und seine Erfahrungen. Es scheint, als ob die zentrale Figur in einer ständigen Rückwärtsbewegung begriffen ist, bei der die Gegenwart stets zur Vergangenheit wird und jegliche Zukunft unerreichbar scheint. Das lyrische Ich fühlt sich zeitlos und steht außerhalb der linearen Zeit. Es betrachtet seine Erfahrungen als ewige Wiederholungen und sieht die Zukunft als eine Fortsetzung seiner Vergangenheit.

Die Form des Gedichts besteht aus fünf Strophen, jede mit sechs Versen. Dies verleiht dem Gedicht eine klare Struktur und Rhythmik. Die Sprache ist eher komplex und bildhaft, mit starkem Gebrauch von Metaphern und Symbolen. Kraus benutzt Worte wie „Schicksalsspinne“, „Urbild“ und „Vorzeit“, um seine Gedanken und Gefühle auszudrücken. Diese Wortwahl schafft eine Art surreale und zeitlose Atmosphäre, die gut zu den Hauptthemen des Gedichts passt.

Insgesamt scheint das Gedicht „Rückkehr in die Zeit“ eine tiefgehende Untersuchung von Erinnerungen, Vergänglichkeit und dem menschlichen Verhältnis zur Zeit zu sein. Durch seine metaphorische und symbolreiche Sprache schafft Karl Kraus ein umfassendes und bewegendes Porträt dieser Themen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Rückkehr in die Zeit“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Karl Kraus. 1874 wurde Kraus in Jičín (WP), Böhmen geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1920 entstanden. In München ist der Text erschienen. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit zu. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das 165 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 30 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Karl Kraus sind „An den Schnittlauch“, „An eine Falte“ und „An einen alten Lehrer“. Zum Autor des Gedichtes „Rückkehr in die Zeit“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 61 Gedichte vor.

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