Römisches Albumblatt von Marie Eugenie Delle Grazie

Zu einer Weihnachtsfeier von Deutschen in Rom

Gleich losen Blättern hat aus allen Weiten
Des Schicksals Wirbel uns hiehergeführt,
Um launisch und vielleicht für alle Zeiten
Uns auch zu trennen; Flüchtigkeit berührt
Mit eh’rnem Scepter alle Daseinswonnen
Und was an Glück wir unser oft geglaubt:
Ein Hauch des Schicksals – und es war zerronnen,
Ein „Nein!“ des Himmels – und es war geraubt!
Doch wo, wie hier, der Andacht glühend Streben
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Vor einem Ewigen betrachtend steht,
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Des Menschensohn’s Trophäen stolz sich heben
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Und Heldenstaub um morsche Trümmer weht,
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Dort weiht Erinnerung für alle Zeiten
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Selbst flücht’ger Stunden wesenlosen Reiz –
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Wie Schaum zerfließen uns’re Eitelkeiten,
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Doch ewig sind die Trümmer und das Kreuz!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.4 KB)

Details zum Gedicht „Römisches Albumblatt“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
107
Entstehungsjahr
1892
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das präsentierte Gedicht „Römisches Albumblatt“ stammt von der Autorin Marie Eugenie Delle Grazie, die zwischen 1864 und 1931 lebte. Die Autorin war eine österreichische Schriftstellerin und Dichterin, die in der Epoche des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts wirkte, also zur Zeit des Realismus und Naturalismus.

Auf den ersten Blick scheint das Gedicht vom Schicksal, der Vergänglichkeit und Ewigkeit zu handeln und wirkt nachdenklich und sogar etwas melancholisch.

Das lyrische Ich reflektiert in den ersten acht Versen über das Schicksal und die Flüchtigkeit des Glücks und der Freuden des Lebens. Es spricht davon, wie Menschen aus allen Richtungen des Lebens zusammengeführt und dann wieder getrennt werden. Es beschreibt, wie schnell das Glück verschwindet, durch einen Hauch des Schicksals oder ein „Nein“ des Himmels.

In den letzten acht Versen jedoch wechselt die Stimmung des Gedichts. Das lyrische Ich spricht von einem Ort, an dem sich das glühende Streben der Andacht und die stolzen Trophäen des Menschensohns erheben, und an dem „Heldenstaub um morsche Trümmer weht“. Dies kann als Metapher für Rom, die „ewige Stadt“, verstanden werden, in der Vergangenheit und Gegenwart aufeinandertreffen.

Das lyrische Ich betont dabei die Bedeutung der Erinnerungen und die Ewigkeit der Trümmer und des Kreuzes. Es scheint zu suggerieren, dass trotz aller Vergänglichkeit und Flüchtigkeit, der Schönheit und Tragik, die das menschliche Leben ausmachen, immer etwas bleibt – in Form von Erinnerungen und von den sichtbaren Spuren der Geschichte.

Zur Form und Sprache des Gedichts lässt sich sagen, dass es sich um eine einzige, lange Strophe handelt, die in 16 Verse unterteilt ist. Die Sprache ist eher gehoben und bildhaft, was durch den Gebrauch von Metaphern und bildhaften Ausdrücken deutlich wird. Die Syntax ist komplex, mit vielen Nebensätze und Verbindungswörtern, was den fließenden, reflektierenden Charakter des Gedichts verstärkt. Es gibt kein festes Reimschema, aber es finden sich vereinzelte Reimpaare und Halbreime, die dem Gedicht einen gewissen Rhythmus geben. Sowohl formell als auch sprachlich scheint das Gedicht somit vom Realismus und Naturalismus beeinflusst zu sein.

Weitere Informationen

Marie Eugenie Delle Grazie ist die Autorin des Gedichtes „Römisches Albumblatt“. Geboren wurde Delle Grazie im Jahr 1864 in Weißkirchen (Bela Crkva). Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1892. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Realismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin vorgenommen werden. Bei Delle Grazie handelt es sich um eine typische Vertreterin der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 16 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 107 Worte. Die Gedichte „Abend wird es“, „Abendsonnenschein“ und „Abschied“ sind weitere Werke der Autorin Marie Eugenie Delle Grazie. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Römisches Albumblatt“ weitere 71 Gedichte vor.

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